Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
Vom Netzwerk:
und wieder hier bei meinen Eltern im Sauerland herein.«
    »Sie stammen also gebürtig von hier?« Meine Gesprächspartnerin schien zu überlegen, ob dieses Zugeständnis mit ihrer sonst so weltenbummlerischen Natur in Einklang zu bringen war.
    »Ja, ich habe bis zum Abitur hier gewohnt. Danach bin ich direkt nach Essen gegangen, dann nach Bonn, und jetzt Bochum. Ich war an einer privaten Schauspielschule – mein Schwerpunkt ist das antike Theater. Ach übrigens, nenn mich doch Friederike!« Damit schien das Du besiegelt zu sein, wobei ich nicht wußte, ob ich darüber wirklich froh sein sollte. Ich nutzte die Gelegenheit, um einen Blick auf die umwerfende Tierärztin zu werfen. Verdammt! Sie hatte bereits eine Jacke über ihren grobgestrickten Rollkragenpulli gezogen und machte sich auf den Weg nach draußen.
    »Und wo arbeitest du?« Wie konnte ich mich jetzt von dieser Sängerin loseisen? Schon war es zu spät. Alexa Schnittler hatte bereits bezahlt und ließ die Tür hinter sich zufallen. »Und wo arbeitest du?« Chance vertan. Ich wandte mich wieder der vollbusigen Friederike zu. Ich erzählte ihr von meiner Stelle am Elisabeth-Gymnasium.
    »Am Elli? Da war ich auch!«, platzte sie heraus.
    »Und?«
    »Schon o.k.« Sie schien nicht allzu gern bei diesem uninteressanten Teil ihres Lebens stehenzubleiben.
    Ich ließ nicht locker. »Erzähl doch mal! Mich interessiert das!«
    »Also, am besten erinnere ich mich noch, wie ich in der Zwölf die Hauptrolle im Besuch der alten Dame gespielt habe. Wir sind dreimal damit aufgetreten, und beim dritten Mal war ich in Bestform. Selbstverständlich fehlte mir damals noch die Schulung, aber mein Talent war natürlich immer schon sehr ausgeprägt.« Friederike holte tief Luft, um mir das Ausmaß ihres Erfolges genauer beschreiben zu können. Ich unterbrach sie rasch.
    »Welche Lehrer hast du denn so gehabt?«
    »In neun Jahren waren das natürlich so einige. Die Bürger war meine Klassenlehrerin, Radeberger, Erkens, Gottberg, Schwester Berta, Gelbmann, Langensiep–«
    Ich fuhr auf. »Den Langensiep kennst du auch?«
    »Klar, den habe ich doch jahrelang in Geschichte gehabt!«
    »Hast du auch gehört, daß er Anfang des Jahres gestorben ist?«
    »Sicher, das weiß hier doch jeder!« Friederikes Kontakt zur »spießigen« Heimat war doch größer als sie zuzugeben bereit war.
    »Was war der Langensiep denn für ein Typ?« bohrte ich weiter. Friederike überlegte einen Moment.
    »Eigentlich ein ganz seltsamer. Ernst, und vor allem sehr unsicher. Die Jungs in meiner Klasse haben ihn regelmäßig fertiggemacht. Dann stotterte er nur noch verzweifelt herum und wußte nicht, wie er reagieren sollte. Ich selbst hatte bei ihm einen Stein im Brett, weil ich sehr gut auswendig lernen konnte und deshalb alle möglichen Geschichtsdaten drauf hatte. Darauf stand er, auf Datenkenntnis. Ich erinnere mich an einen bestimmten Vorfall in der zehnten Klasse. Zwei Mädchen versuchten ihm an Weiberfastnacht, die Krawatte abzuschneiden. Ziemlich albern, besonders hier im Sauerland, wo man sowieso nicht sehr doll Karneval feiert.«
    »Ich weiß, hier macht man eher in Schützenfesten.«
    »Die beiden hatten wohl eine Wette abgeschlossen, ob sie sich bei diesem Stiesel trauen. Auf jeden Fall ist Langensiep total ausgerastet und hat nur noch rumgebrüllt. Er ist wirklich fast wahnsinnig geworden vor lauter Wut – in der Klasse hatten wir ihn noch nie so erlebt. Es dauerte fünf Minuten, dann setzte er den Unterricht fort. Die beiden Mädels hat er fortan völlig ignoriert. Ich weiß nicht, ob er sie im gesamten Schuljahr noch ein einziges Mal angesprochen hat.« Friederike nahm einen Schluck von ihrem Cocktail. »Aber das ist ja alles kalter Kaffee! Erzähl doch mal von dir! Was hast du denn vorher gemacht?« Ich murmelte, daß ich als freier Journalist gearbeitet hatte. »Für den Kölner Stadtanzeiger.«
    Das war ein Treffer. Die Reaktion war mir von anderen Künstlern oder solchen, die es werden wollten, bekannt. Journalisten wurden immer als wertvolles Element im Vitamin B-Gerangel angesehen. Meistens endeten Gespräche mit Anspielungen darauf, ob man nicht mal einen Artikel über sie bringen wolle. Friederike Glöckner war nicht anders. Es folgte ein ausführlicher Bericht über ihre bisherigen Erfolge, über die wichtigen Leute, die sie kannte, und ein fünfzehnminütiger Vortrag über ihre aussichtsreichen Zukunftspläne. Ich unterstellte ihr pure Selbstüberschätzung. Die Leute, von denen

Weitere Kostenlose Bücher