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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Biersorten gebraut werden, woll? Im Grunde schmeckt aber nur eine. Ich demonstriere dir das heute mal.«

6
    Das Angebot an bezahlbaren 2-Zimmer-Wohnungen war nicht gerade umwerfend. Als ich am nächsten Morgen wieder denken konnte, entdeckte ich gerade mal drei Angebote im Anzeigenteil der zwei stadtbekannten Zeitungen. Unter zwei Nummern erreichte ich jemanden und konnte mir die Objekte sofort ansehen. Das erste war so klein, daß ich mir vorkam wie in einer Puppenstube. Die zweite Wohnung lag an einer vielbefahrenen Umgehungsstraße. Da keine doppeltverglasten Fenster eingebaut waren, hatte man das Gefühl, sämtliche LKWs wollten ihre Waren im Badezimmer abladen. Unmöglich – eher würde ich den Rest meines Lebens bei den Dreisams verbringen, bevor ich wegen klaustrophobischer Anfälle in meiner winzigen Wohnung in Behandlung mußte oder unter ständiger Angst litt, in meinem eigenen Schlafzimmer überfahren zu werden. Nach diesen Pleiten beschloß ich, ein zweites Mal meine zukünftige Arbeitsstätte heimzusuchen. Vielleicht würde ich diesmal in den Besitz der Unterlagen gelangen, die Schwester Wulfhilde mir hatte hinterlegen wollen. Sie selbst verbrachte die ersten zwei Wochen der Osterferien bei ihrem Bruder, wie sie mir erzählt hatte.
    Ich machte mich zu Fuß auf den Weg zur Schule und mußte feststellen, daß die Stadt mehr als übersichtlich war: die Hauptkirche, in deren Schatten das alte Rathaus lag, der Stadtbrunnen, ein Weinkeller, den Max mir am Abend zuvor nähergebracht hatte. Über das Kopfsteinpflaster schnaufte ich bergauf, über eine Kreuzung, bis ich den Eingang zu einem Friedhof entdeckte. Ich überlegte. Wenn ich nachher quer marschierte, mußte ich doch auch auf die Schule zukommen. Ich versuchte mein Glück. Der Weg verlief wunderschön unter alten riesig hohen Pappeln hindurch. Ich setzte mich auf eine Bank und atmete durch. Ein paar Vögel randalierten über mir in den Ästen. Wahrscheinlich stritten sie sich um eine Frau. Ich schloß die Augen und fing ein paar Sonnenstrahlen auf. Nach einiger Zeit schlenderte ich faul weiter, blieb dann vor ein paar Gräbern stehen. Paul Hagelücken, Erna Filthaut, Bernhard Kemper, Konrad Edelkötter, Bruno Langensiep – ich stutzte. Bruno Langensiep. War das nicht? Ja, es war. 28.2.1954 – 17.1.1998 stand unter dem Namen. Das Grab war mit einer Art Natursteinkiesel belegt. Als einziger Schmuck stand ein Gesteck darauf. Der Grabstein war ziemlich edel, verglichen mit den Nachbargräbern, nur hatte man sich dort mehr Mühe mit einer Bepflanzung gegeben. Mit vierundvierzig in einen Steinbruch zu fallen, war ein ziemlich tragisches Schicksal, fand ich. Ob Bruno Langensiep betrunken gewesen war, daß dieser Unfall passieren konnte? Nun ja, vielleicht würde ich noch mehr über diesen seltsamen Fall erfahren. Bruno Langensieps Grab erinnerte mich an die Schule und ich lief nun schnellen Schrittes in die Richtung, wo ich die Schule vermutete. Ich hatte recht gehabt. Man brauchte vom Seitenausgang des Friedhofs aus nur die nächste Querstraße zu nehmen und lief dann automatisch auf das Schultor zu. An der Schule angekommen, versuchte ich mein Glück an der Glastür. Diesmal ließ sie sich öffnen, und als ich drinnen war, sah ich ein offenes Büro vor mir. Von meinem allerersten Aufenthalt her erkannte ich das Sekretariat wieder, aus dem heute allerdings laute Radiomusik schallte. Ich klopfte an den Türrahmen, obwohl mir klar war, daß man bei der Musiklautstärke noch nicht einmal sein eigenes Husten hätte hören können. Nichts tat sich. Ich schaute um die Ecke, aber es war niemand zu sehen. Ich überlegte und beschloß, das Lehrerzimmer zu suchen. Ich lief geradewegs die Treppe hinauf nach oben, da das Lehrerzimmer in einem Obergeschoß untergebracht war, und stand dann ziemlich hilflos vor einem endlos langen Flur mit unendlich vielen Türen. Intuitiv ging ich weiter die Treppe hoch und stand wiederum vor einem endlos langen Flur mit unendlich vielen Türen. Irgendwie fand ich es unheimlich, daß ich als quasi Fremder ganz allein hier im Gebäude rumlaufen konnte. Ich versuchte mein Glück auf dieser Etage und entdeckte in der Mitte des Ganges eine Tür, die sich von den anderen unterschied. Sie war zweiflüglig und aus schwerem, dunklem Holz. Ich kramte gerade in meinem Gedächtnis, als ich neben der Tür ein kleines Schildchen mit der Aufschrift »Lehrerzimmer I« entdeckte. Ich klopfte, doch es kam keine Antwort. Die Tür ließ sich öffnen. Ich

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