Ausflug ins Gruene
tatsächlich als Treffer erwiesen. Die Kellnerin Laura und der Lockenkopf aus dem Café hatten recht gehabt – die Dreisams waren nett, so nett, daß sie pausenlos auf mich eingeredet hatten.
Ausgiebigst hatten sie mir von ihrer Tochter und den Enkelkindern erzählt, die man leider so selten sehe. Ich hatte unweigerlich an meine eigenen Eltern denken müssen, die dasselbe Problem mit mir hatten. Die Dreisams hatten mir leidgetan, und deshalb konnte ich es auch leichter ertragen, daß sie ihre elterliche Fürsorge nun für einige Zeit auf mich richten würden. Als sie hörten, daß ich mir alleine eine Wohnung suchte, waren sie regelrecht bestürzt. Wie ich das denn mit meiner Wäsche machen wolle? Ich müsse doch in der Schule bestimmt immer ordentlich aussehen (ein kurzer Blick auf mein verwaschenes Sweat-Shirt). Außerdem – wo ich denn essen wolle? Ich konnte sie beruhigen, daß ich auch während der letzten Jahre ohne Haushälterin überlebt hatte, und erklärte, das Wichtigste sei nun, erst einmal eine Wohnung zu finden. Das fanden die Dreisams dann glücklicherweise auch. Sie ließen mich wissen, daß es am nächsten Tag in beiden Tageszeitungen einen extra Anzeigenteil gebe. Darin seien immer einige Wohnungen zu finden. Ich hatte daher beschlossen, die Wohnungssuche erst am nächsten Tag in Angriff zu nehmen und nach einem Schläfchen zunächst die ansässigen Kneipen auszutesten.
Ich warf wieder einen Blick nach hinten. Die Frau aller Frauen war immer noch in ein Gespräch mit dem Schönling vertieft. Ich nahm alle Lockerheit zusammen und wandte mich an Lutz:
»Noch eine Frage! Die Frau da drüben, der du eben eine Cola gebracht hast, ich glaube, die kenne ich aus dem Studium. Wie heißt sie noch?«
»Wo hast du denn studiert?« fragte Lutz.
»In Köln.«
»Da muß ich dich enttäuschen. Sie war in Gießen zum Studieren.« Plötzlich grinste Lutz mich breit an und lehnte sich über die Theke, um leise zu mir sprechen zu können. »Aber ich bin so nett, dir ihren Namen trotzdem zu sagen. Alexandra Schnittler. Sie ist Tierärztin und arbeitet in der Praxis Hasenkötter gegenüber der Polizei.« Lutz bekam eine größere Bestellung rein und machte sich wieder an die Arbeit. Inzwischen war es ganz schön voll geworden. Das Mädchen, das beim Bedienen half, flitzte zwischen Theke und Tischen hin und her, und auch Lutz machte sich manchmal auf, um die Leute an den Tischen zu versorgen. Ich geriet gerade ins Träumen, als eine hohe Stimme mich plötzlich von der Seite ansprach.
»Ich hab da eben was von Köln gehört«, sagte die Stimme, die zu einer hübschen, blonden Person, Mitte Zwanzig, gehörte. Sie war ziemlich vollbusig und in einer Weise gekleidet, die ihre rundliche Figur betonte und nur ein ganz klein wenig ordinär wirkte. Richtig auffallend aber war an der Frau eindeutig ihr Mund. Sie hatte Brigitte-Bardot-ähnliche Lippen, die zudem knallrot angemalt waren.
»Ja, ich komme aus Köln«, sagte ich, »Sie auch?«
»Nein, ich hab da nur mal vorgesprochen«, antwortete sie, »ich wohne jetzt in Bochum. In Köln war nichts.«
»Wie meinen Sie das, ’in Köln war nichts’?«
»Ich bin Schauspielerin und hatte da mal einen Termin zum Vorsprechen, aber das Angebot sagte mir nicht zu.« Ich versuchte beeindruckt auszusehen, obwohl ich hundert zu eins gewettet hätte, daß Brigitte Bardots Ziehtochter kaum in die Situation gekommen war, sich zu fragen, ob sie das Angebot annehmen wollte. Vermutlich hatte sie das Engagement einfach nicht bekommen.
»Ich heiße Friederike Glöckner. Und Sie?« Ich stellte mich vor und erzählte, daß ich vorhatte, von nun an hier in der Gegend zu wohnen.
»Sie wollen tatsächlich hierherziehen?« Ich nickte und versuchte dabei glücklich auszusehen. Friederike Glöckner gab sich entsetzt. »Haben Sie sich das auch gut überlegt?«
»Ähm, ja schon, ich meine, ich hab’s einfach so geplant.«
»Hier ist absolut nichts los!« Friederike Glöckner entfaltete eine beachtliche theatralische Gestik. War ja auch ihr Beruf.
»Man kann hier zuviel kriegen. Ich kann Ihnen nur einen Rat geben. Packen Sie Ihre Koffer und verlassen Sie diese Provinz!«
Ich lächelte. »Warum sind Sie hier, wenn es so schrecklich ist?«
»Ich?« Die Frage schien dem Nachwuchssternchen peinlich zu sein. »Nun, ich besuche hier von Zeit zu Zeit Freunde und meine Eltern. Ich bin sowieso ständig auf Achse. Mal einen Auftritt in München, eine Tournee in England. Da schneie ich dann auch hin
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