Ausgebremst
Motorradfahrern oder amerikanischen Nudeltopfpiloten auch nicht!).
Zwölf Jahre
Nach der Saison 1993, in der Liberante Graziano und Steve verunglückt waren (die französische Polizei qualifizierte auch die Explosion von Steves Gasboiler als Unfall), überlegte ich mir erstmals, ob ich meinen Job an den Nagel hängen sollte.
Nicht, weil ich mich fürchtete, ich könnte der nächste Händler sein, dem ein derartiger Unfall zustößt. Aber ich war jetzt siebzehn Jahre lang dabei, und die Perspektive, früher oder später von TEXUNO aufgekauft und zum Verkäufer degradiert zu werden, war nicht wesentlich verlockender als das Schicksal, das Steve und Liberante getroffen hatte.
In den letzten Jahren hatten die Veranstalter unsere Platzgebühren so drastisch angehoben, daß immer mehr Händler aufgaben oder Partner der TEXUNO werden mußten, was letzten Endes auf dasselbe hinauslief. Zwar war ich auch sonst jedes Jahr in der Winterpause zu Tode deprimiert: Ich verkroch mich zu Hause und versuchte, die vier rennlosen Wintermonate schlafend oder vor dem Fernseher so unbemerkt wie möglich an mir vorbeigehen zu lassen. Aber nach dem 93er Winterschlaf wäre ich fast nicht mehr auf die Beine gekommen.
Noch als ich meine Sachen packte, um zum ersten EuropaRennen der 94er Saison aufzubrechen, bezweifelte ich, jemals in Imola anzukommen. Es hatte sicher auch damit zu tun, daß das erste Rennen auf europäischem Boden im Jahr 1994 ausgerechnet dort stattfand, wo in der vergangenen Saison Liberante Graziano ermordet worden war.
Obwohl Imola natürlich in Italien liegt, findet dort offiziell der Grand Prix von San Marino statt. So können die Italiener neben dem eigentlichen Grand Prix von Italien in Monza noch ein zweites Rennen veranstalten.
Ich schaffte es zwar zu meiner eigenen Überraschung problemlos bis Imola, aber meine Vorahnung täuschte mich dennoch nicht. Imola 1994 wurde für mich das traurigste Rennen der Formel-1-Geschichte.
Ich rede nicht davon, daß der junge Österreicher Roland Ratzenberger im Training tödlich verunglückte. Obwohl es natürlich eine erschütternde Tragödie war. Der erste Formel-1-Tote seit zwölf Jahren. Zwölf Jahre sind in der Formel 1 eine Ewigkeit. Zwölf Jahre bedeuten, daß keiner der aktiven Fahrer beim letzten tödlichen Unfall mit dabeigewesen war. In diesen zwölf Jahren hatte man aufgehört, mit dem Tod in der Formel 1 zu rechnen. Entsprechend tief saß der Schock von Ratzenbergers Tod bei allen.
Aber es ist nicht dieser Schock, von dem ich hier spreche.
Es gab an dem Wochenende noch eine ganz andere Katastrophe. Als ich in Imola ankam, stellte ich zuerst erleichtert fest, daß mich das alte Kribbeln wieder erfaßte. Ich freute mich schon darauf, den Finnen wiederzusehen. Und ich brauchte nicht lange, bis ich seinen Wagen fand. Ich brauchte allerdings lange, um seinen Wagen zu erkennen. Denn groß und ordinär prangte darauf der orangefarbene TEXUNOSchriftzug.
Zwei Tage
Ich redete kein Wort mit dem Finnen. Als ich ihn sah, drehte ich mich demonstrativ von ihm weg und ignorierte sein blödes Keke-Rosberg-Grinsen. Mein Vorgefühl für die neue Saison hatte mich also doch nicht getäuscht. Und als dann im Training Roland Ratzenberger verunglückte, war ich nahe daran, ein für allemal heimzureisen. Ich beschloß dann aber, wenigstens noch das Rennen abzuwarten.
Der erste Tote in der Formel 1 seit zwölf Jahren war ein junger Österreicher, der erst eine Handvoll Formel-1-Rennen gefahren war. Am Anfang seiner Karriere, als Formel-FordNachwuchstalent, hatte er eine Rolle in einer englischen TV-Trickserie bekommen, deren Held eine Ratte war. Die Ratte gewann ein Rennen gegen den realen Rennfahrer. Ratzenbergers Name und wohl auch sein gutes Aussehen waren der Grund, daß die Produzenten ausgerechnet ihn ausgesucht hatten. Das war Jahre her. Und jetzt war er tot. Und ich regte mich immer noch über den Finnen auf, der zu TEXUNO übergelaufen war. Ich war entschlossen, nie wieder ein Wort mit dem Überläufer zu reden.
Trotzdem überdauerte mein Zorn auf den Finnen das Rennwochenende in Imola nicht. Denn Ratzenbergers Tod war erst der Auftakt des Katastrophenwochenendes gewesen.
Zwölf Jahre lang hatte es keinen Toten in der Formel 1 gegeben. Bis zum Horrorwochenende von Imola im Frühling 1994. Am Freitag der Unfall, den Rubens Barichello nur durch ein Wunder überlebt. Mit Tempo 240 in die Mauer. Am Samstag der Unfall, den Roland Ratzenberger nicht überlebt. Mit Tempo 308 in
Weitere Kostenlose Bücher