Ausgebremst
aufpassen, wenn wir einen Feuerlöscher montieren oder die Gasheizung aufdrehen.»
«Was weißt du?» fragte der Finne die zerquetschten französischen Insekten auf seiner Windschutzscheibe.
«Dasselbe wie du. Du bist ja auch dabeigewesen, als Liberante uns von den Flugzeugabstürzen rund um das Jahr 1976 erzählt hat. Und am nächsten Tag war er tot. Und wie Steve die Niki-Lauda-Geschichte von 1976 erzählt hat. Mit dem Ertl-Absturz. Und am nächsten Tag war er tot.»
Der Finne drehte den Zündschlüssel. «Dir hat man wohl ins Hirn geschissen», klang er eine Spur weniger elegant als der schnurrende Dieselmotor seines Clou-Liners von Niesmann & Neff.
Ich dachte schon, er fährt auf und davon, aber vorher sagte er noch: «Sonst weißt du nichts?»
«Was soll ich wissen?»
«Sei froh. Dann stehst du wenigstens nicht auf der Liste.»
«Auf welcher Liste?»
«Wenn ich es dir sage, stehst du auch schon halb drauf.»
«Sag schon», sagte ich. Nicht aus Mut, sondern weil ich seine Geheimnistuerei lächerlich fand.
«Auf der Liste von TEXUNO.»
Ich lachte noch, als der Finne sagte: «Du weißt doch, daß Steve bei TEXUNO herumschnüffelte, bevor sie ihn in die Luft gejagt haben.»
«Und Liberante?»
«TEXUNO ist offensichtlich bereit, jeden aus dem Weg zu räumen, der sich ihnen in den Weg stellt. TEXUNO wollte die Grazianos aufkaufen. Bruno sagt, er wäre bereit gewesen, das Geld zu nehmen. Liberante war dagegen.»
«Aber deshalb bringt man einen doch nicht gleich um.»
«Sei froh, daß du nicht mehr weißt. Dann bist du wenigstens nicht der nächste», sagte der Finne und zog seine Fahrertür zu. Er ließ noch einmal das Fenster hinunter, schaute mich an und sagte: «Wir sehen uns in zehn Tagen in Silverstone. Wenn du dann immer noch lebensmüde bist, erzähle ich es dir.» Er fuhr los und ließ mich allein mit der französischen Armee. Aber er erzählte mir dann auch in Silverstone nichts. Und er erzählte mir auch bei den restlichen vier Rennen der Saison 1993 nichts mehr.
Liebe Theresa!
Einmal pro Woche haben wir hier eine Stunde mit einer Beschäftigungstherapeutin. Daß so viele Häftlinge freiwillig an der Stunde mit der Beschäftigungstherapeutin teilnehmen, hat einen einfachen Grund. Sie ist eine Frau. Ihre Arbeit mit uns ist Teil ihrer Doktorarbeit. Sie läßt uns manchmal zeichnen, manchmal sogar Gedichte schreiben. Gestern hat sie mich ganz ernst gefragt, warum ich immer nur Helme zeichne und beschreibe. Ich war sehr überrascht über ihre Frage. Sie soll doch froh darüber sein! Alle anderen belästigen sie nur mit unverschämten Zeichnungen und pornographischen Gedichten. Am schlimmsten ist der Bobby (er heißt mit Familiennamen Graf, deshalb «Bobby». Obwohl er eigentlich einen anderen Vornamen hat, ich weiß nicht, welchen.) Er hat vor fast zehn Jahren seine jugoslawische Frau erstochen, von der er immer ein kleines Foto dabeihat. Er gibt damit an, wie hübsch sie war. Bobby ist nur einen Meter fünfundfünfzig groß und erinnert mich mit seinen dünnen Haaren und seiner viel zu großen Brille so an den TEXUNO-Chef, daß ich angefangen habe, den schmierigen Geldscheffler in meiner Erinnerung ebenfalls Bobby zu nennen. Obwohl ich seinen richtigen Namen natürlich noch genau weiß. Wenn ich mich daran erinnere, wie er mit dem Bentley seine Runden gedreht hat, um bei seinen Verkäufern nach dem Rechten zu sehen, bekomme ich immer noch Aggressionen. Aber die Aggressionen sind nicht so schlimm, wenn ich ihn Bobby nenne. Letzte Woche hat Bobby Graf ein Pornoheft in die Stunde mitgebracht, wo er mit einem Kuli auf jede abgebildete Frau den Namen der Beschäftigungstherapeutin geschrieben hatte. Aber ihn fragt sie nicht, wieso er so was tut! Und wenn andere die ordinärsten Reime vortragen, sagt sie auch nichts, aber wenn ich Helme zeichne, fragt sie mich, wieso ich das mache! «Helme gefallen mir eben», erklärte ich ihr. «Was gefällt Ihnen an Helmen?» hat sie blöd gefragt. «Die Muster», hab ich gesagt. «Was haben die Muster mit Ihnen zu tun?» (Die Beschäftigungstherapeutin ist die einzige hier herinnen, die uns nicht duzt.) Ich erklärte ihr, daß ich Fanartikelhändler war und deshalb auch ein berufliches Interesse an den Helmmustern habe. Aber ich glaube, sie hat es nicht begriffen. Sie wollte nicht viel davon hören. Es hat sie wohl nicht richtig interessiert. Nur so weit eben, wie es ihre Doktorarbeit betrifft, was ich ihr nicht übelnehme (mich interessieren ja die Helme von
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