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Ausgebremst

Ausgebremst

Titel: Ausgebremst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Nürburgring.
    Tom Pryce verlor seinen Helm in Kyalami.
    Helmut Koinigg verlor seinen Helm in Watkins Glen.
Monza
    Am Tag darauf reiste ich aus dem Gesundheitshotel ab. Ich verabschiedete mich nicht von Mister Weeser. Bei Tageslicht kam mir mein Erlebnis mit ihm seltsam unwirklich vor. Ich war froh, daß die Polizei die Morde an meinen Kollegen geklärt und den TEXUNO-Chef verhaftet hatte. Daran konnte ich mich festhalten. Denn in letzter Zeit war ich zu oft Passagier meiner Nerven.
    Kaum daß ich in Budapest ankam, sah ich auch schon Bruno Graziano. Wir umarmten uns wie die einzigen Überlebenden einer Katastrophe.
    «Ich fürchtete schon, dir ist womöglich auch was passiert», sagte Bruno erleichtert.
    «Nur ein kurzer Boxenstopp», erklärte ich.
    «Genau zur richtigen Zeit.» Bruno klang etwas bitter, und ich bekam ein schlechtes Gewissen, daß ich ihn in Monaco nicht gewarnt hatte.
    Um etwas anderes zu sagen, fragte ich ihn: «Hast du die Verhaftung in Silverstone mitgekriegt?»
    Bruno schüttelte den Kopf. «Ich habe es genauso aus dem Fernsehen erfahren wie du wahrscheinlich auch. Obwohl ich ganz in der Nähe war. Vielleicht hätte ich dasselbe gesehen, wenn ich aus dem Fenster geschaut hätte.»
    «Hast du eigentlich gewußt, daß Liberante so tief im Drogenhandel steckte?»
    Er lächelte: «Du hörst dich an wie die Polizisten, die mir diese Frage in letzter Zeit ziemlich oft gestellt haben. Hast du es denn gewußt?»
    «Du hörst dich an wie Steve, wenn er eine unangenehme Frage über James Hunt mit einer Gegenfrage beantwortete», sagte ich.
    Bruno lachte. «Steve», sagte er wehmütig. «Ich glaube, er war es, der Liberante zu dem schmutzigen Geschäft gebracht hat.»
    «Jaja. Es sind immer die anderen schuld.»
    Das war mir so herausgerutscht. Ich wollte Bruno nicht kränken. Aber er nahm es ohnehin von der philosophischen Seite: «Das ist genau wie bei den Rennkollisionen. Wenn es kracht, ist immer der andere schuld.»
    Ich war froh über diese Äußerung. Ich war froh, wieder bei einem Rennen zu sein, wo sich alles auf diese oder ähnliche Weise erklären ließ. Ich war froh, daß wenigstens Bruno noch da war.
    Am nächsten Tag fiel mir auf, daß Bruno die gleiche Veränderung durchgemacht hatte wie ich. Von frühmorgens bis abends verließ er seinen Stand nicht. Er verkaufte und verkaufte und verkaufte. Und es lag bestimmt nicht nur an der Abwesenheit der billigen TEXUNO-Stände, daß wir beide viel mehr als gewöhnlich verkauften.
    Ich offerierte meine Waren den vorbeischlendernden Fans so hingebungsvoll wie in meinem ersten Jahr, schwatzte jedem T-Shirt-Käufer noch eine Kappe auf, jedem Kappenkäufer noch einen Schal oder eine Sonnenbrille. Und wenn ich zu Bruno hinüberschaute, sah ich, daß die Leute auch bei ihm Schlange standen und ihn beladen wie Packesel wieder verließen.
    Das muß eine ähnliche Abwehrreaktion gewesen sein wie bei Jackie Stewart. Als Stewart 1970 in Monza vom Tod seines Freundes Jochen Rindt erfuhr, stieg er in seinen königsblauen ef-Tyrrell und knallte Trainingsbestzeit auf den Asphalt. Eine vom Schock ausgelöste Überkonzentration.
    Selbst am Sonntag nach dem Rennen, wo die Euphorie der Fans meist schnell implodierte, dem Rückreisefrust wich und nicht mehr viel Geschäft zu machen war, verkauften wir in Budapest noch bis in die Nacht hinein.
    Anschließend schlug Bruno vor, daß wir gemeinsam essen gehen könnten.
    «Wir sind in all den Jahren nie gemeinsam in ein Restaurant gegangen», wunderte ich mich. Nicht darüber, daß er es jetzt vorschlug, sondern darüber, daß es uns noch nie in den Sinn gekommen war.
    «Ja, aber jetzt wäre es einfach zu deprimierend, wenn wir uns hier zusammensetzten und Spaghetti kochten.»
    «Als wäre nichts geschehen», sagte ich.
    Bruno nickte. Wir wollten nicht spüren, daß wir nur noch zu zweit dasaßen. Und wir wollten auch keinen Ersatz für unsere Freunde bei den jungen Händlern finden.
    Das Essen in dem Budapester Restaurant war zwar fürchterlich, aber umso mehr hielten wir uns an den guten Wein. Wir plauderten über den Geschäftsgang, und wir staunten darüber, daß jeder von uns dreimal soviel verkauft hatte wie an einem normalen Wochenende.
    «Arbeit ist das beste Mittel gegen Depressionen», lächelte Bruno.
    «Meine Mutter hat immer gesagt, Putzen ist das beste gegen Depressionen», erzählte ich Bruno.
    «Eine kluge Frau, deine Mutter.»
    «Jackie Stewart fuhr 1970 in Monza Trainingsbestzeit. Zehn Minuten nachdem

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