Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
wissen. Er blickt in seine Unterlagen und verrät, dass er am Abend im Hafen von Saint Tropez anlegen wird. Er nennt mir den genauen Liegeplatz. Ich kaufe Baguette und fahre zu Jenny. Ich muss dringend Dampf ablassen. Bis zum Abend kann ich meine Wut nicht für mich behalten. »Tausche Weißbrot gegen Kaffee!», rufe ich durch die Sprechanlage. Phillip öffnet das Tor und begrüßt seinen Frühstücksgast. Jenny stellt ein drittes Gedeck auf den Tisch und erzählt von Kathie, die sich bei über das nette Paket gefreut hat. »Schau mal in deine Mails. Sie hat dir bestimmt schon geschrieben.« Ich berichte ausführlich von meinem Ärger mit Tobi und seiner unverschämten Aktion mit dem Kindermädchen.
»Herr Siam dreht also wieder am Rad«, lacht Phillip. Jenny ist ganz auf meiner Seite und bestätigt mich in meiner Wut.
»Magst du dich heute Abend mit mir in Saint Tropez treffen. Ich muss ihn abpassen. Ich weiß aber nicht, wann er anlegt. Zulange kann ich mit Clara nicht warten. Sie muss spätestens um acht Uhr ins Bett.« Jenny bietet an, die Kleine über Nacht bei sich schlafen zu lassen. »Dann kannst du in aller Ruhe allein auf ihn warten.« Genau so wollen wir es machen. Ich fahre nach Haus und überfliege meine Mails. Kathie hat geschrieben und sich herzlich bedankt. Sie bittet um einen Rückruf. Ich tippe Kathies und Mikes Daten in mein Adressbuch und schaue auf die Uhr. Die beiden sind noch nicht online. Dann werde ich es später noch einmal versuchen.
Ich warte schon zwei Stunden und habe bereits drei Kaffee und ein Wasser getrunken, als ich Tobis Segelyacht auf dem Meer entdecke. Durch mein Fernglas beobachte ich, wie er in den Hafen einfährt. Er scheint allein an Bord zu sein. Ich zahle beim Kellner und mache mich auf den Weg zu seinem Anleger. Verwundert sieht er zu mir rüber. Seine Miene lässt keinen Aufschluss auf seine Stimmung zu. »Wir müssen reden!«, sage ich und mein Tonfall sollte ihm klar machen, dass es kein Besuch aus Leidenschaft ist. Er reicht mir die Hand und zieht mich mit einem Ruck aufs Boot. Punktgenau lande ich in seinem Armen.
»Lass uns nicht streiten. Ich hab dich so lange nicht gesehen«, haucht er in mein Ohr. Ich setze an, ihn lautstark zu beschimpfen, aber Tobias küsst mich solange leidenschaftlich auf den Mund bis ich verstumme. »Ich vermisse dich so«, gesteht er. Liebevoll streichelt er mein Gesicht und drückt mich immer fester an sich. Ich bin hin und her gerissen. Wie schafft es dieser Mann nur immer wieder? Kurze Berührungen von ihm genügen und meine Wut ist verflogen.
»Kommst du mit nach Hause?« Er braucht nicht zu antworten. Ein Horde Jugendlicher ist im Anmarsch und grölt Tobias schon von Weitem zu.
»Ich hab die Bande noch bis Sonntag an Bord. Nachmittags komme ich. Versprochen!« Drei junge Männer, keiner älter als zwanzig besteigen völlig betrunken mit zwei Frauen das Boot. Die langen Fingernägel, die durch das hüftlange, braune Haar fahren, kenne ich schon. Entsetzt schaue ich das russische Kindermädchen an.
»Hey Tobi! Was willst du denn mit dieser Mutti, wenn du Natascha haben kannst?«, ruft der blonde Jüngling.
»Mir scheint, deine Mutti hat es versäumt, dir Benehmen beizubringen! Ich hoffe sehr für dich, dass sie dir wenigstens das Schwimmen beigebracht hat!«, sage ich und schubste den Flegel mit einem Fingerstoß ins Hafenbecken. »Viel Spaß auf deinem schwimmenden Bordell!«, rufe ich meinem Puffvater verärgert zu.
Ich fahre zu Jennifer. Es ist noch früh genug, um Clara wieder abzuholen. Sie ist noch wach und läuft mir aufgeregt entgegen.
»Jenny weint. Sie sitzt im Wohnzimmer und ist ganz traurig.«
»Was ist passiert?« Phillip nimmt mich zur Seite.
»Wir haben gerade eine schlimme Nachricht erhalten. Kathie hatte eine Fehlgeburt und ist an den Folgen verstorben. Mehr weiß ich noch nicht. Ich habe noch nicht mit Mike sprechen können.« Ich bin schockiert. Dieses nette Paar. Sie waren so glücklich.
»Ich fahre jetzt mit Clara nach Hause. Wenn es Neuigkeiten gibt, ruft mich bitte an.« Warum Jenny weint, will Clara wissen.
»Sie hat am Telefon eine traurige Geschichte gehört. Ich erzähle dir auch gleich eine Gutenachtgeschichte. Aber keine, die dich traurig macht.«
Bis zum Sonntag habe ich latente Bauchschmerzen. Mich nicht mit Tobi aussprechen zu können, bereitet mir tagelang ein schlechtes Gefühl. Meine Empfindung ändert sich auch nicht, als
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