Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Bis zum nächsten Termin haben wir mehr als drei Wochen Zeit für uns.«
»Haben wir nicht, Marie. Übermorgen habe ich den ersten Törn und bin für eine Woche weg. Danach legen wir in Cannes an. Während dieser Zeit werde ich nicht nach Hause kommen können.« Tobias holt seinen Terminplaner aus dem Arbeitszimmer und legt ihn auf den Tisch. Die Monate Mai, Juni, Juli und August sind rot markiert.
»Soll das heißen, dass du vier Monate lang nicht nach Hause kommst?« Ungläubig sehe ich meinen Mann an. Das kann er nicht bringen! Noch vor kurzem machte er mir eine Szene wegen der vier Tage Berlin. Ich bin nicht bereit, das hinzunehmen.
»Ich werde versuchen, an den Tagen hier zu sein, wenn du in Berlin zu tun hast. Dann ist immer jemand für Clara da.« Und wer ist für mich da?
»Vermutlich werden wir nur zwischen Monaco und Saint Tropez cruisen. Du kennst doch diese neureichen Spinner. Die meiste Zeit werden sie im Hafen abfeiern. Ich rufe dich sofort an, wenn ich weiß, welche Bucht wir anlaufen. Dann können wir uns regelmäßig sehen.«
»Das sind ja schöne Aussichten!« Ich ärgere mich, nehme mich aber schnell wieder zusammen. Die verbleibende Zeit will ich nicht im Streit verbringen. Am Abend kuschel ich mich ganz fest an meinen Kapitän. Ein dicker Kloß in meinem Hals schnürt mir die Luft ab. Schwer atme ich durch die Nase und mein Herz rast. Ich habe jetzt schon Sehnsucht und weiß, dass ich ihn unendlich vermissen werde. Vier Monate, denke ich immer wieder. Das ist kaum auszuhalten.
»Hey«, sagt er und nimmt mein Gesicht in beide Hände. Mit seinem Daumen fängt er die erste große Träne ab. Mein nachfolgender Tränenfluss durchfeuchtet sein weißes T-Shirt. »Wir telefonieren jeden Tag. Ich verspreche dir, mindestens einmal pro Woche nach Hause zu kommen. Du weißt doch selber, länger halte ich es ohne dich nicht aus!«
Aus den täglichen Anrufen werden Kurzmitteilungen. Tobi ist meist nicht nah genug an der Küste und sein Telefon hat keinen Empfang. Wenn ich spät abends Glück habe und ihn erreiche, ist es auf der Yacht so laut, dass ich ihn nicht verstehen kann. Zweimal war ich mit Clara in Cannes. Aber beide Male hatte das Boot schon wieder abgelegt. Seit zwei Stunden warte ich nun auf sein Eintreffen. Meine Koffer für Berlin sind fertig gepackt. Als ich wieder nur seine Mailbox erreiche, weicht meine Traurigkeit und unbändige Wut nimmt den Platz ein. Ich gehe in das Kinderzimmer und packe Kleidung für Clara zusammen.
»Du kommst mit mir, mein Spatz«, sage ich und schreibe eine Nachricht, für den Fall, dass mein Mann doch noch den Weg nach Hause findet.
Wir sind schon im Berliner Hotel, als ich endlich ein Lebenszeichen von Tobias erhalte. Zornig nehme ich seinen Anruf entgegen. Lautstark mache ich ihm Vorwürfe und lasse meinen aufgestauten Frust ungefiltert ab.
»Ich bin kein Busfahrer, der auf die Minute genau Feierabend machen kann. Marie, ich habe mir ein Bein ausgerissen, um rechtzeitig bei euch zu sein!«
»Na, dann wünsche ich dir gute Genesung!«, schimpfe ich und lege auf. Es klopft an der Zimmertür und Clara öffnet. Frederik steht auf dem Flur und ist gleichermaßen verblüfft über Claras Anwesenheit, wie ich über das Erscheinen meines Sohnes.
»Das ist ja eine nette Überraschung.«
»Ich werde doch den morgigen Tag nicht verpassen.«
»Was ist denn morgen so besonders?«
»Hast du dein Jubiläum vergessen? Die fünfhundertste Sendung!«
»Nee, keine Ahnung. Ich hatte einen ganz schlimmen Tag. Lass uns einen schönen Abend zusammen verbringen. Komm, ich lade dich ins Restaurant ein.«
»Papa hat uns vergessen. Jetzt ist Mamam, richtig sauer.« Frederik verspricht, sich die nächsten Tage, um Clara zu kümmern. Als Tobias anruft, drücke ich ihn weg und stelle mein Telefon aus. Ich bin immer noch übelgelaunt.
Für die große Jubiläumsshow wurde das Studio zwei komplett neu dekoriert. Frederik hat zugestimmt, die Kosmetik zu Sonderpreisen zu verkaufen. Im Anschluss an die letzte Verkaufsstunde ist eine große Feier geplant. Auf »drei« bin ich bereit. Die Kamera lenkt aber nicht wie gewohnt auf mich. Stattdessen spielt die Regie einen Filmzusammenschnitt meiner ersten Sendungen ein.
»Sind wir live«, frage ich irritiert. Sarah nickt. Clausen kommt mit ausgetreckten Armen auf mich zu und hält eine kurze Dankesrede.
»Deine Blumen werden dir von einer ganz
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