Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
abhanden gekommen. Mit einer Sache hat sie allerdings Recht. Ich muss dringend mit Tobi sprechen. Noch bevor die deutsche Ausgabe im Handel erscheint. Ich bastele tagelang an der richtigen Formulierung und bereite mich auf dieses Gespräch vor. So, als ob ich eine wichtige Geschäftsverhandlung führen muss. Aber hier geht es nicht ums Geschäft. Hier geht es um mein weiteres Leben an der Seite des Mannes, den ich so unendlich lieb habe. Feige verschiebe ich mein Vorhaben immer wieder auf den nächsten Tag.
Tobias hat sich beim Ausbringen seiner Yacht eine Zerrung in der Schulter zugezogen. Wehleidig lässt er sich von mir bemuttern. Ich übernehme die Autofahrten zum Kindergarten und zurück.
»Ich habe dir aus der Apotheke eine Salbe mitgebracht. Zieh doch dein Shirt aus, damit ich dich verarzten kann.« Hauchdünn verteile ich das Gel auf seiner Haut und streiche vorsichtig über seine schmerzenden Stellen. Danach wasche ich mir die Hände und beginne, das Mittagessen vorzubereiten, als Tobi mich bittet, ihm noch ein Kissen zu holen. Er hat es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und will bis zum Essen lesen. Ich erblicke den Buchumschlag und erkenne den Titel. Tröstender Engel.
»Wie kommt dieser Schund in unser Haus!«, brülle ich, nehme ihm das Buch aus der Hand und werfe es in den Mülleimer.
»Das ist das neue Buch von Mike. Es kam heute mit der Post. Eine Karte lag auch noch dabei. Was soll der Aufstand?«
»Lies es nicht. Bitte!«
»Marie, ich glaube du spinnst. Warum soll ich es nicht lesen?«
»Bitte lies es nicht. Es sind nur Lügen! Bitte Tobi, wenn du mich lieb hast, lass das Buch dort, wo es hingehört. Auf dem Müll!« Tobias erhebt sich vom Sofa und schaut mich an. Ich stehe kurz vor einen Nervenzusammenbruch und weine, flehe, schluchze und zittere am ganzen Körper. Er geht zum Müll und nimmt das Buch wieder heraus. Langsam beginnt er zu begreifen. Fassungslos sieht er mich an. Nie im Leben werde ich diesen traurigen Gesichtsausdruck vergessen. Ich schließe feige die Augen, denn ich kann ihn nicht ansehen. Mit einem lauten Knall wirft er die Haustür hinter sich ins Schloss. Er setzt sich in seinen Wagen und fährt davon. Vergebens warte ich in der Nacht auf seine Rückkehr.
Ich bringe Clara am Morgen in den Kindergarten. Als ich zurück komme, steht Tobias Wagen vor dem Haus. Er ist im Kinderzimmer und packt Kleidung und Spielzeug zusammen. Als er mich bemerkt, stellt er die Tasche ab und schaut mir direkt ins Gesicht.
»Seit wann? Seit New York? Oder fickt er dich schon seit deinem Besuch in Florida?«
»Unsinn!«
»Wie hat er es dir besorgt?«
»Tobi hör auf. Und lass es dir in Ruhe erklären. Ich hatte keine Liebesbeziehung zu ihm. Ich habe ihn nur getröstet!«
»Also hast du es ihm besorgt! Da hast du deine Aufgabe als Witwertrösterin wohl richtig gut gemacht. So gut, dass er ein Buch darüber geschrieben hat. Ein Buch, das du auch noch als Hörbuch lesen solltest. Wie lange wolltet ihr mir noch etwas vormachen? Du widerst mich an, Marie. Ich ertrage deinen Anblick keinen Tag länger. Wir sind weg. Werde glücklich mit deinem Schriftsteller. Vielleicht hört dann auch deine permanente Niedergeschlagenheit auf!« Er greift nach der Tasche und verlässt den Raum. Im Schlafzimmer nimmt er einen Stapel Wäsche aus dem Schrank und verstaut ihn in einem großen Koffer.
»Wo willst du hin? Geh nicht! Bitte Tobi, geh nicht fort. Ich werde dir alles erklären. Es tut mir so leid. Ich liebe dich doch so. Bitte bleib hier!« Es hilft nichts. Er geht. Es ist der erste April. Und es ist kein Scherz.
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Ich höre eine Woche lang nichts von ihm. Im Kindergarten gebe ich mir die Blöße und frage nach Clara. Von der irritierten Erzieherin erhalte ich die Information, dass Tobi seine Tochter bis zur Sommerpause abgemeldet hat.
»Clara kommt erst zur Einschulung im August wieder zurück. Ihr Mann hat einen Platz für die Ganztagsbetreuung gewählt.« Ich will es nicht glauben und fahre zum Bootsanleger in der Hoffnung, seine Yacht vorzufinden. Aber ich hoffe vergeblich. Es ist Markttag und ich suche Nataschas Stand auf. Meine Halbschwägerin ist komplett ahnungslos. Julian mauert. Er weiß, wohin Tobias mit Clara gesegelt ist, will es mir aber nicht verraten.
»Es geht ihnen gut. Mehr darf ich dir nicht sagen. Mach dir keine Sorgen. Er kommt wieder zur Vernunft.«
Über die Osterfeiertage
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