Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Familienurlaub überraschen.
»Wann fahren wir los?«
»Nach dem Frühstück packen wir noch eure Koffer und dann geht es wie der Blitz zum Flughafen. Mein Gepäck steht schon reisefertig in der Diele.«
Neugierig steige ich die Treppen des mehrstöckigen Wohnhauses hinauf. Das drei Zimmer Appartement ist im vierten Stock und hat keinen Fahrstuhl. Es liegt in einem heruntergekommen Viertel, abseits der mondänen Villen und wird ausschließlich von Einheimischen bewohnt. Während Tobias noch einmal in den Keller läuft, um die Reisekoffer zu holen, schreite ich durch die Räume. Karg und ungemütlich! Auf jeden Fall kein passendes Zuhause für Clara und bestimmt auch keine Dauerlösung für Tobi. Auf einem kleinen Holztisch im Wohnzimmer liegt ein Stapel Fotos. Neugierig werfe ich einen Blick darauf. Es sind Motive von der Yacht, dem Meer und Clara zu sehen. Ich nehme die Bilder in die Hand und betrachte sie im Schnelldurchlauf. Immer wieder ist eine fremde Frau auf den Fotos zu sehen. Ich schätze sie auf Mitte vierzig. Auf jeden Fall viele Jahre jünger als ich. Als Clara fragt, was sie einpacken soll, will ich von ihr wissen, wer diese Frau ist.
»Das ist Helena. Sie war mit uns in Spanien.« Ich nehme ein Foto und stecke es in meine Tasche. Das schmerzliche Gefühl, das sich in meiner Brust breit macht, kenne ich schon aus der Vergangenheit. Ich atme mit Bedacht, als ich Tobis Stimme höre.
»Wir müssen uns beeilen. Sonst ist der Flieger weg!« Meine fragenden Blicke beantwortet er stets mit einem zufriedenen Lächeln.
Am späten Nachmittag erreichen wir unser Reiseziel. Der Club ist in direkter Strandlage. Wir erhalten ein Appartement mit Meerblick im ersten Stock. Laute Musik dröhnt durch die Anlage. Ich lese sich die Infobroschüre durch, überfliege das geplante Unterhaltungsprogram und suche nach der Telefonnummer für die abendliche Kinderbetreuung. Auf keinen Fall werde ich Clara spät abends unbeaufsichtigt lassen. In Sommerkleidung erkunden wir den Hotelkomplex.
»Fast nur Deutsche«, sage ich ein wenig enttäuscht. Aber beim Anblick der vielen Kinder in Claras Alter schaue ich wieder zuversichtlich. Der Animateur Jonas begrüßt die Neuankömmlinge und fragt nach ihren Wünschen und Vorlieben. Es ist unser erster Cluburlaub und wir staunen über das reichliche, aber für uns persönlich absolut alberne Freizeitangebot. Tobias hat andere Pläne mit seiner Frau und sagt zu Jonas: »Marie hat ihren Privatanimateur dabei. Das bin ich. Mach uns lieber ein paar Vorschläge für unsere Tochter.« Clara geht gern mit dem jungen Mann und meldet sich für die nächsten Stunden ab. Tobias und ich spazieren in den Innenhof zur großen Poollandschaft, wo sich die Bars befinden. Er bestellt zwei Cocktails, die wir an den Tresen gelehnt im Stehen trinken. Ich spüre die ersten Blicke von Frauen, die uns von den in Reih und Glied stehenden Liegestühlen aus beobachten. Als ich den Wunsch nach einem weiteren Drink äußere, kommt eine der Liegestuhlfrauen auf uns zu.
»Entschuldige bitte, aber bist du Marie? Die Marie Simon aus dem Teleshopping?«
»Nein, das bin ich nicht. Aber lustig, dass du das sagst. Ich werde oft mit ihr verwechselt«, lüge ich, ohne die Spur rot zu werden.
»So eine Ähnlichkeit. Ist ja verblüffend. Man hört ja oft davon, dass man einen Doppelgänger hat.« Ich wünsche mir, dass sich die Theorie bei dieser Liegestuhlfrau nicht bestätigt und hoffe, sie wird sich schnell verziehen. Aber sie ist in Fragelaune.
»Wie heißt du denn? Ich bin Tine. Und wer ist dieser schöne Mann?«, fragt sie mit Blick auf Tobias.
»Das ist Tobi.«
»Altersmäßig seid ihr aber ganz schön weit auseinander«, lacht sie. Statt dieser taktlosen Frau in ihrem Panzerbadeanzug eine zu verpassen, sage ich: »Ja, ich denke auch, dass er zu alt für mich ist. Deshalb bin ich ja hier. Kannst du mir einen Tipp geben, wo man die jungen, knackigen Kerle aufreißt!« Tine mustert Tobias von oben bis unten. »Wenn du einen Jüngeren gefunden hast, nehme ich dir dieses Exemplar gerne ab. Er spricht doch deutsch, oder?«
»Er ist mehrsprachig!« lache ich und zwinkere ihr mit dem linken Auge zu. Grinsend schiebt Tine ihren Schwabbelhintern zurück zum Liegestuhl.
»Die dachte nicht ernsthaft, dass ich dein Loverboy bin, oder?», empört sich Tobias. Ich pinkel mir fast vor Lachen in die Hose.
»Diese Loverboy Geschichte verfolgt dich aber
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