Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
hat. Noch einmal wird der kleine Quälgeist nicht damit durchkommen. Claire reicht mir einen Becher Kaffee. Wie jeden Morgen stehen wir beiden Geschäftsfrauen vor unseren Läden und halten solange einen Plausch, bis die ersten Kunden eintreffen. Während ich darüber spreche, dass i die letzte Saison wesentlich entspannter war, taxiert Claire die vorbeigehenden Damen.
»Hey, du hast schon eine nette Frau. Also lass das Glotzen!«
»Nur gucken. Nicht anfassen«, lacht sie. Sie und Sarah sind seit Monaten ein festes Paar. Meine langjährige Freundin Sarah wird am Abend erwartet. Jean trifft rechtzeitig vor seiner ersten Behandlung ein. Dankbar für den freien Nachmittag umarmt er mich. Ich bitte ihn, später für eine halbe Stunde die Stellung zu halten. Ich beschließe einzukaufen, bevor der Supermarkt wieder schließt. An diesem Tag soll es ein richtiges Mittagessen geben. Ich hetze durch die Gänge und packe gezielt Lebensmittel in den Einkaufswagen. Innerhalb von fünf Minuten habe ich alles zusammen, als ich an der langen Warteschlange vor der Kasse doch wieder Zeit einbüßen muss. Eine deutsche Urlauberin hat Probleme mit ihrer EC Karte und hält den ganzen Verkehr auf. Weil Sie kein Französisch versteht, kann sie den Anweisungen der Kassiererin nicht folgen. Ich greife ein.
»Sie müssen mit der grünen Taste bestätigen. Vorher aber Ihren richtigen Pin eingeben.« Die genervte Kassiererin ruft eine Kollegin, die eine zweite Kasse aufmachen soll. Nun darf ich mich wieder ganz hinten anstellen. Das ist der Dank für meine Hilfsbereitschaft. Als ich alle Sachen auf das Laufband gelegt habe, muss an Kasse zwei eine neue Papierrolle eingelegt werden. Seelenruhig kratzt die Ersatzkassiererin mit ihren abgekauten Fingernägeln den Klebestreifen von der Rolle. Erst der vierte Versuch, das Bonpapier mit ihren kurzen Wurstfingern einzulegen, ist erfolgreich. Ich bin im Begriff zu platzen. Auf dem Parkplatz treffe ich auf die Deutsche, die die Ursache für diese lange Zeitverzögerung ist. Sie lässt ihre Einkäufe von ihrem dickbäuchigen Mann in ihr Wohnmobil einräumen.
»Ich hatte versehentlich die Karte meines Mannes dabei. Kein Wunder, dass der Pin nicht stimmte. Vielen Dank und schönen Urlaub auch für Sie.« Nix Urlaub, ich muss zur Arbeit, du schusselige Kuh, denke ich und fahre mal wieder viel zu schnell zurück. Mit zwei Tüten bepackt betrete ich den Hintereingang und verstaue Fleisch und Milchprodukte in meinem kleinen Kühlschrank. Jean kommt mit einem riesigen Blumenstrauß zu mir in die Pantry.
»Den hat gerade ein Mann für dich abgegeben. Ich kenne ihn nicht. Aber er hat dir eine Nachricht dazu gelegt.« Überrascht lese ich die Notiz. Danke für die Unterstützung. Wir sehen uns im Juli. Der Saxophon Mann Benjamin. Wie nett, denke ich und stelle den Strauß in eine Vase. Nach drei Peeling Massagen und einer Detox Körperpackung fährt Tobias mit seinem Rad vor. Seine feste Umarmung wehre ich ab. »Du bist ganz backig und du muffelst!« Er nimmt meinen Autoschlüssel und fährt zur Schule. Ich parke das kostbare Zweirad hinter dem Tresen und packe die Lebensmittel zusammen. Mit beiden Einkaufstüten in der Hand warte ich an der Straße bis die Familie vorfährt.
Zu Hause geht Tobias duschen und bittet mich, einen kurzen Gang mit Balou zu machen. So habe ich mir das nicht vorgestellt und ich nehme mir vor, nach dem Essen mit meinem Mann über die Neueinteilung der Aufgaben zu sprechen. Während ich den Salat zupfe spricht Tobias mobil mit seinem Geschäftspartner Julian. Er notiert Termine und gleicht sie mit seinen Aufzeichnungen ab. Ich höre ihn laut schimpfen: »Alles Doppelbuchungen. Wie kann dir das passieren? Warst du besoffen und wirst du senil?« Tobi ist auf hundert. Ich allerdings auch. Ich bin der Meinung, dass diese Gespräche mit Julian doch in der Bootshalle geführt werden sollen. Ich fordere meinen Mann auf, sein Handy während der Mittagszeit auszustellen. Die Zeit zwischen den beiden Schichten ist ohnehin so kurz bemessen.
»Hast du schon einmal bemerkt, dass ich mit Jean in der Mittagspause telefoniere? Nein, das tue ich nämlich nicht. Wir besprechen uns vormittags oder in der Spätschicht, wenn wir uns gegenüber stehen.« Tobias verzieht das Gesicht. Ein Fehler. Nun fühle ich mich erst recht unverstanden. »Ich weiß gar nicht, warum ich mir das mittags antue. Ich könnte gemütlich bei René meine Pause verbringen, genüsslich essen und
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