Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
die große Führung beginnen soll.
»Der Kaffee im Flugzeug ist eine Zumutung«, beschwert sich Ellen und erhält geschlossene Zustimmung. »Wenn meine Mädchen und ich morgens keinen richtigen Kaffee bekommen, ist der Tag für uns gelaufen. Heiß muss er sein und stark.« Tobias rettet den Tag seiner Schwiegermutter und auch Sophies Stimmung erhellt sich langsam. Ellen sitzt neben Paul und erhält sofort ein Kompliment von ihm. »Sie haben Ihre guten Gene an Ihre Töchter vererbt. Ich habe noch nie drei so schöne Frauen auf einem Fleck gesehen.«
»Ihr Erbgut ist auch nicht von schlechten Eltern. Ein Blick in Ihre Augen verrät mir, dass Sie früher auch ein attraktives Exemplar gewesen sein müssen.«
»Was heißt denn hier früher?« Ich öffne zwei Flaschen Sekt und schlage vor, das alberne »Sie« zu lassen. Die Runde prostet sich gegenseitig zu und nennt sich fortan beim Vornamen. Ellen und Paul unterhalten sich angeregt. Sie haben sofort Gefallen an einander gefunden. Zufrieden betrachten sie ihre Kinder.
»Ich mag deine Marie. Sie hat das Herz am rechten Fleck und was am Wichtigsten ist, sie macht meinen Tobias unbeschreiblich glücklich.«
»Die beiden sind verliebt, wie am ersten Tag. Wo steckt eigentlich unser Plappermäulchen. Ist sie noch in der Schule?« Tobias sieht erschrocken auf die Uhr und macht sich sofort auf den Weg, Clara abzuholen.
Ich bringe die Verwandten in die erste Etage und zeige ihnen ihre Ein Zimmer Appartements. Sophie und Ellen teilen sich das Doppelbett. Für zwei Nächte soll es wohl gehen.
»Sag mal, wie sieht denn deine Schwiegermutter aus. Wie kann man sich so entstellen lassen?«, lacht Sophie. Ich plustere meine Wangen auf, ziehe mir die Augen mit den Zeigefingern in Richtung Schläfe und mache eine Plunschlippe. Sophie kreischt sofort los, als sie meine Grimasse sieht.
»Das ist nicht lustig, Kinder. Darüber macht man keine Witze. Die arme Frau hatte bestimmt einen schweren Unfall und musste plastisch wieder hergerichtet werden. Sie erinnert mich an Tante Ruth. Ihr kennt doch noch die garstige Schwester eures Vaters. Sie hatte 1967 auch einen schweren Verkehrsunfall. Die Glassplitter der Windschutzscheibe hatten ihr die ganze Visage zerschnitten. Die sah genau so aus.« Ich kann mich kaum noch halten und lasse mich gackernd aufs Bett fallen.
»Nein, Mama. Thea hatte keinen Unfall. Das hat sie freiwillig machen lassen. Sie ist süchtig nach Schönheitsoperationen. Stellt euch vor, sie soll noch jünger sein als ich.«
»Dann sollte sie den Chirurgen verklagen!«, sagt Ellen. Mutter und Töchter lachen so laut, dass Christina und Timo aus dem Nachbarzimmer herüber schauen. Ob es um Thea geht, will Timo wissen und ich nicke.
Im Erdgeschoss herrscht buntes Treiben. Arnaud bringt mit seinen Helfern kartonweise Lebensmittel in die Küche. Erstaunt nehmen Clara und Tobias die Fremden wahr. Ich stelle den neuen Maître vor. Bis auf die grauen Haare, kann Tobias keine Ähnlichkeit mit Richard Gere entdecken und gibt dem Mann, der für das leibliche Wohl seiner Gäste sorgen will, freundlich die Hand.
»Darf ich Sie mit meinem Sous Chef bekannt machen? Das ist Florence.« Der Sous Chef ist eine Sous Chefin und wie sich wenig später herausstellt, die Nichte des Maîtres. Arnaud lobt ihr Können auf jedem Posten, allerdings als Patissière, soll sie unschlagbar sein. Ihre Desserts preist er als »legendär« an. Ich begleite ihn in die Küche und lausche seinen Vorschlägen.
»Wir werden heute Mittag von Arnaud nach Strich und Faden verwöhnt. Er kocht uns wunderbare Gerichte zum Vorkosten. Fischsuppe mit Rouille, Jakobsmuscheln und Steinpilz Ravioli mit Trüffel-Buttersauce, Doradenfilet auf Ratatouille, Lamm-Filet an Rosmarinjus, Kaninchenkeule mit einer Senfkräuterkruste und Mais-Poularden an Morchel-Sauce. Also lauft nicht zu weit weg. In zwei Stunden gibt es Essen.« Christina schlägt vor, einen Spaziergang zu machen. Bis auf Ellen folgen ihr alle Besucher.
»Was hältst du von ihrem neuen Küchenchef. Findest du auch, dass er Ähnlichkeit mit Richard Gere hat? Marie steht auf graue Haare bei Männern. Kann der Kerl mir gefährlich werden?« Ellen lacht.
»Der ist nicht grau, sondern friedhofsblond! Du bist nach fast zehn Jahren immer noch eifersüchtig. Entzückend! Dabei weißt du, dass andere Männer bei Marie keine Chance haben. Aber die Ähnlichkeit mit Richard Gere ist nicht zu leugnen.« Tobias
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