Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Kindertagen Rosenkohl, Kümmel und Blattspinat tabu. Nadja leidet unter einer gefährlichen Nussallergie. Die Enkel mögen keine Tomaten, Pilze und Rosinen. Lillie darf (noch) nicht scharf. Karl mag keine Mehlspeisen. Hanna lehnt Paprika, Ingwer und Kokos ab. Ellen isst kein Lammfleisch und kein Sushi. Sophie verträgt keine Äpfel und Erdbeeren. Für Ulli liegen noch keine Einträge vor. Dafür hat Frederik mir eine Liste gefaxt, auf der Sabrinas Abneigungen aufgeführt sind. Ente, Gans, Fisch mit Gräten, Meeresfrüchte, Gorgonzola, Parmesan, Rosmarin, Curry, roher Schinken, Petersilie… Ich höre auf zu lesen und weigere mich, Valium überhaupt in mein Notizbuch aufzunehmen.
»Wie findest du meine Idee, ein Spargel Buffet zu machen. Das passt doch und ist typisch für die Heide. Wahlweise mit Schinken, Rinderfilet und Lachs. Dann ist für jeden was dabei«.
»Marie du spinnst! Du willst doch nicht wirklich für über 50 Gäste selber kochen und servieren. Das kommt nicht in Frage. Ich habe schon im Heidekrug ein Spanferkel und Fassbier bestellt. Und zwei Bedienungen gleich dazu!« Seitdem wir wieder zusammen leben, überrascht er mich immer wieder mit eigenmächtigen Entscheidungen. Ich bin mir nicht sicher, ob mir diese 180 Grad Wende wirklich gefällt. Ich zerreiße meinen Zettel und höre meinen Mann sagen: »Ich bin total fertig. Ich werde heute nicht alt«. Mit einer Flasche Bier setzt er sich auf das neue Sofa und stellt den Fernseher an. Nach den Nachrichten verabschiedet er sich mit Küsschen und geht ins Bett.
Das Haus ist fix und fertig eingerichtet und auch im Garten sind alle Pflanzarbeiten abgeschlossen. Ich telefoniere mit Sophie.
»Du brauchst nicht in die Firma zu kommen.« Sie hat alles fest im Griff. Gern möchte ich den sonnigen Nachmittag mit Nadja und den Kindern verbringen, aber auch sie sagen ab. Die Zwillinge sind zum Kindergeburtstag eingeladen. Ich schnappe mir die Hundeleine und entscheide mich für einen langen Spaziergang mit Bruno. Als ich das Gartentor öffne, treffe ich auf zwei Frauen, die sich auf dem Bürgersteig angeregt unterhalten.
»Guten Tag, ich bin Marie.« Die Nachbarinnen geben sich als Ursel und Anette zu erkennen. Sie sind Cousinen, wie ich von ihnen erfahre.
»Hier sind alle irgendwie mit einander verwandt.« Die ältere Ursel hat eine schrille Lache.
»Wir wohnen schräg gegenüber in der Nummer 7. Jetzt wo du diese hohe Hecke gepflanzt hast, kannst du unser Haus gar nicht mehr sehen.« Die pummelige Anette meint eigentlich damit, jetzt wo ich meine hohe Hecke gepflanzt habe, kann sie mich gar nicht mehr beobachten.
»Ist ja richtig schön geworden bei euch.« Ursel macht einen langen Hals.
»Habt ihr drinnen auch alles neu gemacht?«
»Es war wirklich viel Arbeit«, sage ich schnell. Mir ist klar, dass ich das Verhör mit den neugierigen Cousinen schnell beenden muss. Nach so enger Nachbarschaft steht mir nicht der Sinn.
»Wir Landfrauen treffen uns jeden zweiten Dienstag im Heidekrug. Komm doch auch!«
»Mal sehen. Nur jetzt muss ich dringend meine Runde machen. Der Hund ist schon ganz unruhig.«
»Bis dann«, rufen die Cousinen mir (der Bloß-Schnell-Weg-Hier-Läuferin) hinterher. Ich mache nur die kurze Runde und bin nach zwanzig Minuten schon wieder zurück. Es sind keine Eingeborenen mehr vor dem Haus zu sehen. Ich gehe zum Briefkasten, um nachzusehen, ob die Zeitung schon zugestellt ist. In Hamburg las ich das Abendblatt um sieben Uhr morgens. Hier bekomme ich es erst vormittags.
»Du bist ja schon wieder zurück.« Ursel muss mir aufgelauert haben. »Schön, dann komm. Die anderen Frauen freuen sich schon auf dich.« Ich habe überhaupt keine Lust, aber ich will auch nicht unfreundlich erscheinen. Ein vergleichender Blick zu Ursel und ich bin mir sicher, dass ich mich für das Landfrauentreffen nicht zwingend umziehen muss. Im kleinen Saal sitzen ungefähr vierzig Frauen aller Altersklassen. Sie scheinen alle den gleichen Friseur zu besuchen.
»Das ist Marie, die das Haus von Bauer Holthusen gekauft hat.« Lautstark werde ich als die Neue von Ursel vorgestellt. Ich lächle in die Runde und wähle einen freien Platz neben der einzigen Frau, die keine Dauerwelle hat.
»Grüß dich, ich bin Birgit.« Die sympathische Landfrau erzählt, dass sie auch erst in den Ort gezogen ist und eine der wenigen Single Wohnungen bei Arno Stockmann ergattert hat.
»Prosecco«,
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