Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
auf die Auffahrt unserer neuen Heideresidenz. Sophie hat die Kalkulationen und Umsatzzahlen der letzten zwei Monate in einem Ordner dabei. Sie ist eben ein Mädchen der alten Schule und kann sich mit der Präsentation via PC nicht anfreunden. Die Zahlen des Vormonats sind erfreulich, wenn auch nicht spektakulär.
»Ulli meint, wir sollten den Öko Aspekt nicht zu sehr in den Vordergrund stellen. Mit konventioneller Rezeptur ist deutlich mehr Gewinn zu machen.« So schön ich den jungen Dermatologen auch finde, aber das geht mir zu weit.
»Bei dir privat kann er ja den Ton angeben. Aus meiner Philosophie hält er sich gefälligst raus!« Ich leiste diverse Unterschriften auf Angeboten und Verträgen und will nun zum gemütlichen Teil mit Schwester und der neuen Assistentin der Geschäftsleitung übergehen. Aber die beiden offenbaren mir, dass sie lieber den Rückweg antreten wollen.
»Du hast gerade einmal ein Glas Wein mit mir getrunken.« Meine Beschwerde verhallt.
»Dann ziehe nicht in die Pampa! Ich muss noch über vierzig Kilometer zurück fahren. Glaubst du, ich lass mir wegen deiner Langenweile den Führerschein abnehmen?« Beleidigt räume ich den Tisch ab und verziehe mich vor den Fernseher. Bob der Baumeister führt durch eine Verkaufsshow für Autopolitur.
»Grüß dich, Volker.« Ich proste ihm zu und leere den Rest der Flasche Wein allein. Regelmäßig schaue ich aus dem Fenster. Vom Catering Mann ist keine Spur zu sehen. Mit dem Gartenschlauch sprenge ich die Blumen und Pflanzen in den Kübeln und Mauern aus Naturstein.
»Hallo Marie, ist etwas später geworden.« Der Wirt vom Heidekrug trägt mit zwei jungen Burschen die Stehtische und die Schankanlage in den Garten.
»Soll ich dir das Fass schon anstecken?«
»Nur zu!« Der Wirt schenkt vier Pils in seine Leihgläser.
»Das Spanferkel werden wir dir übermorgen so gegen 11.00 Uhr bringen. Thorsten wird es für deine Gäste am Tisch portionieren. Um Geschirr brauchst du dich nicht zu kümmern. Das bringen wir ja alles morgens her. So hat es dein Mann bestellt.«
»Dann soll es wohl so sein.« Es ist schon nach 21.00 Uhr als Steffen nach Hause kommt.
»Gibt es kein Abendessen?« Auf diesen Vorwurf habe ich nur gewartet.
»Ich habe den ganzen Tag bis nach sieben auf deinen Heidekrug Fuzzi gewartet. Danach waren alle Supermärkte zu. Ich habe auch nichts gegessen. Hauptsache du hattest einen schönen Tag.« Ich gehe ins Bett. Diesmal will ich vor seinem Schnarchen einschlafen.
Unter wetter.de verfolge ich stündlich die Vorhersagen für den kommenden Tag. Leichte Bewölkung mit einer Regenwahrscheinlichkeit von 20 Prozent lautet die Prognose. Ich hoffe das Beste und dekoriere die zwölf Stehtische im Garten mit kleinen Blumensträußen.
»Wir feiern doch keine Hochzeit! Hast du den Wein nicht abgeholt?« Ich bin genervt von Steffens ewigen Kommentaren und vorwurfsvollen Nachfragen. Selbstverständlich habe ich den Wein besorgt. Bei der Gelegenheit konnte ich Kerstin und Herbert gleich zur Feier eingeladen.
»Grüß dich Marie!« Birgit läuft vor der Gartentür auf einer Stelle und winkt mir zu. Ich stelle die verschwitze Joggerin vor und Steffen macht sich mit der neuen Nachbarin bekannt.
»Nette Frau. Ich habe ihr angeboten, morgen auf ein Glas vorbeizukommen.« Bei Steffen sind alle Frauen nett. Als wenn es keine anderen Attribute gibt, eine Frau zu beschreiben. Ich mache mich stadtfertig, wie ich es nenne, wenn ich das kleine Heidedorf verlasse, um nach Hamburg zu fahren und hole Sarah und Anke vom Flughafen ab.
Die pummelige Anette von gegenüber putzt seit zwei Stunden ihr kleines Fenster im Dachgeschoss. In dieser Position hat sie freien Blick über die hohe Hecke in unseren Garten. Als Sarah und Anke in den Garten treten, gibt es ein reges Farbspiel am Beobachtungsposten der Hausnummer 7. Mal ist ein dauergewellter Rotschopf zu sehen, mal ein goldblonder, schwarzer, brünetter bis silbergrau. Am liebsten würde ich ein Luftgewehr nehmen und zur Abschreckung einige Warnschüsse abgeben. Aber ich habe mit der Begrüßung der zahlreichen Gäste genug zu tun. Steffen führt eine Gruppe »seiner« Gäste durch das Haus. In der Küche angekommen sagt er: »Die hat meine Frau ausgesucht. Ist überhaupt nicht mein Geschmack. Aber was soll‘s. Lieber eine hässliche Küche als jahrelanges Gezeter von der Frau ertragen müssen.« Ich traue meinen Ohren nicht.
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