Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
den Enkeln nur kurz am Telefon. Sophie und Ulli sind auf Segeltörn. Ein nachträgliches Geburtstagsfest mit der Familie wird es auch nicht geben. Ich packe meinen kleinen Reisekoffer im Hotelzimmer aus, als es an der Tür klopft.
»Dass du heute Geburtstag hast, habe ich heute Morgen im Fernsehen gesehen. Nur weil Sarah dich beglückwünschte, habe ich davon erfahren. Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Was machst du hier, Tobias? Woher weißt du, dass ich in diesem Hotel wohne?« Er lächelt mich an und betritt das Zimmer.
»Ich höre dir zu, wenn du mir etwas erzählst und ich bin gekommen, um mit dir zu feiern. Für dich zum Geburtstag«, sagt er und überreicht mir einen knuffigen Blumenstrauß. Dann küsst er mich zärtlich auf den Mund. Das ist kein Geburtstagskuss, das erkenne ich sofort. Seine Küsse werden immer leidenschaftlicher und ich spüre sein Verlangen. Solange habe ich darauf gewartet, endlich von ihm berührt zu werden. Sein Atem wird schwerer und er sagt: »Komm endlich, Marie, sonst werde ich noch verrückt.« Er nimmt meine Hand und zieht mich aufs Bett. »Nicht aufhören«, stöhne ich immer wieder. Das ist kein Dampf ablassen. Das ist kein belangloser Sex. Das ist viel mehr.
Seitdem reise ich zu meinen monatlichen Verkaufssendungen nach Berlin in Begleitung und verlängere meinen Aufenthalt um jeweils zwei Tage. Bereits eine halbe Stunde nach Drehschluss liege ich in seinen Armen. In neutraler Umgebung kann ich mich ihm hemmungslos hingeben.
»Was macht er nur mit mir? So etwas habe ich zuvor noch nie erlebt! Ich habe das Gefühl, ich verliere den Verstand, wenn er mich liebt. Es ist nicht nur der Sex. Er ist so aufmerksam und hat eine unbeschreiblich liebevolle, empfindsame und einfühlsame Art. Wenn er mich ansieht, seinen Arm um mich legt oder mich spontan küsst, bin ich nicht mehr auf dieser Welt. Sobald ich mit ihm zusammen bin, vergesse ich alles um mich herum. Sarah, ich glaube, ich habe mich unsterblich in ihn verliebt.«
Steffen begutachtet den Garten. Wie an jedem Wochenende stolziert er über die Rasenfläche und spielt den protzigen Großgrundbesitzer.
»Ganz schön viel Laub ist hier runter gekommen. Ich werde die Jungs vom Heidekrug mal fragen, ob sie Lust haben, sich etwas dazu zu verdienen.« Mit der flachen Hand schlägt er mir auf den Po. »Obwohl, ein bisschen Gartenarbeit würde deiner Figur auch gut tun. Du hast ganz schön zugelegt.« Ich ignoriere seine plumpe Bemerkung. Ich habe zugelegt. Das ist nicht zu übersehen. Die regelmäßigen Essen mit Tobias gehen mir direkt auf die Hüften. Aber es ist mir so egal, was mein dauerabwesender Mann von meiner Figur hält. Gefühlt hat er meine Mehrpfunde auf jeden Fall noch nicht.
»Arno sagt, die Eichen behalten ihr Laub noch bis in den Februar. Wenn dich das Laub stört, dann mache es selber weg! Für diese Sissifus Arbeiten stehe ich nicht mehr zur Verfügung. Ich bin auch nicht bereit, mein Geld dafür auszugeben.« Birgit hört das Streitgespräch zwischen ihren Vermietern mit an und kommt zu uns in den Garten.
»Wenn ihr wollt, kann Tobias das machen. Er hat sowieso im Winter keine Aufträge und ein wenig körperliche Arbeit wird ihm gut tun.« Ich überlege, ob ich je so über Steffen gesprochen habe. Er lag mir fünfundzwanzig Jahre auf der Tasche, aber so etwas wäre mir nie über die Lippen gekommen.
»Freiwillige Helfer immer voran«, lacht der Hausherr. Ich verspüre große Lust den beiden großspurigen Idioten, den Marsch zu blasen. Stattdessen gehe ich ins Haus zurück und öffne auf dem PC den Order mit Bildern, in den ich seit Wochen neue Fotos ablege. Mit Tobi an der Elbe. Mit Tobi beim Jazz Frühschoppen. Mit Tobi im Museum. Mit Tobi in der Markthalle. Mit Tobi im Konzert. Mit Tobi auf dem Weihnachtsmarkt.
»In knapp einer Woche ist schon wieder Heiligabend. Man glaubt es kaum. Soll ich den Kamin anmachen, damit ein wenig Stimmung aufkommt?«
»Mir ist warm genug«, antworte ich.
»Viel Mühe hast du dir dieses Jahr ja nicht mit unserer Adventsdekoration gegeben.« Steffen blickt mich in seiner neuen überheblichen Art an.
»Für wen bitte soll ich hier das Haus schmücken? Frederik bleibt mit Valium in Düsseldorf. Nadja kommt mit den Kindern auch nicht zu Besuch. Sophie und Ulli sind seit zwei Wochen in Portugal und du bist abends nach einem Bier so müde, dass du schnarchend ins Bett fällst. Erwartest du, dass ich mit den
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