Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
Landfrauen Weihnachtskekse für dich backe? Was hast du mit deiner blöden Adventsstimmung? Es gibt hier keinen Schalter, den du anknipsen kannst, wenn dir nach drei Wochen das erste Mal weihnachtlich zu Mute ist. Weihnachten war bei uns immer das Fest der Familie! Mit welcher Familie willst du denn feiern? Vermutlich hast du für uns beide schon wieder etwas über meinen Kopf hinweg geplant. Essen wir bei den Eingeboren im Heidekrug oder lässt du was vom Chinesen kommen?« Erbost schaut er mich an und sagt: »Deine Teleshopping Idioten haben einen schlechten Einfluss auf dich.« Er hat genug gehört und stellt den Fernseher an, trinkt ein Bier und geht schlafen.
Steffen ist bei seiner Weihnachtsfeier mit Kollegen und hat mich vergeblich versucht zu überreden, ihn zu begleiten. Ich komme im Dunkeln mit Bruno vom abendlichen Spaziergang zurück und werde stürmisch an der Gartentür von Tobias abgefangen. Er umarmt mich und sagt: »Ich möchte etwas mit dir bereden«.
»Lange geht das nicht mehr gut.« Zum wiederholten Mal bemerke ich, dass die neugierige Anette wieder ihren Posten zum Ausspionieren eingenommen hat. Tobias zieht mich ins Licht der Außenlaterne und küsst mich demonstrativ unter voller Beleuchtung.
»Je früher, desto besser. Soll die alte Schnepfe doch tratschen. Dann hören die Heimlichkeiten endlich auf.« Ich seufze und gehe mit Hund und meiner neuen Liebe ins Haus. Tobi erzählt mir von einem lukrativen Auftrag. Ihm wurde angeboten, Bilder von mediterranen Obstbaum Plantagen und Streuwiesen von der Blüte bis zur Ernte zu fotografieren, die zu einem Bildband zusammen gefasst werden sollten. Der Auftraggeber war bereit, neben dem Honorar alle Reisekosten zu tragen. Schon im Januar sollte es losgehen. »Und du kommst mit! Marie, du bist hier nicht glücklich. Und ich bin es nur, wenn ich mit dir zusammen sein kann. Komm mit mir und überlege nicht so lange. Das Leben hier ist nicht das Richtige für dich. Wir werden zusammen irgendwo im Süden leben. Worauf wartest du? Nach Berlin zu deinen Sendungen kannst du von jedem Flughafen aus fliegen. Sprich doch endlich mit Steffen! Ich werde es Birgit heute auch sagen.« Ich greife in seine schwarze Haarpracht und schließe die Augen. »Ich bin ein Feigling, Tobi. Ich glaube, ich kann das nicht.«
»Komm rein Bruno«, ruft Steffen unseren zotteligen Mischlingsrüden. Er soll das laute Bellen am Gartenzaun unterlassen. Es ist schließlich erst sechs Uhr am Morgen, als er den Kaffee für uns kocht.
»Verreist Birgit allein?«
»Ich denke schon. Sie hat erfahren, dass Tobias eine Andere liebt.« Steffen trinkt seinen Kaffee im Stehen. Ein richtiges Frühstück wird Bärbel im Gesundheitshaus für ihn bereit halten. »Es nützt nichts, ich muss los, sonst stehe ich wieder stundenlang vor dem Elbtunnel im Stau.« Mit einem Griff schnappt er sein Schlüsselbund von der Fensterbank und verschwindet in die eisige Kälte. Ich packe meinen kleinen, mittleren und den großen Koffer und lege mein Handy und einen Zettel auf den Esstisch.
Lieber Steffen, ich weiß nicht, wann wir uns verloren haben. Ich wünsche dir ein schönes Leben ohne mich. Marie
»Komm Bruno. Es geht in den Süden!«
Herz oder Verstand
Als ich vom Sender gut gelaunt auf meinen Mietwagen zuging und Steffen erkannte, rutschte mir das Herz in die Hose. Ich wusste, dass ich mich einem klärenden Gespräch nicht länger entziehen konnte.
»Wie konntest du mir das antun? Ohne ein Wort der Begründung bist du gegangen. Warum?«
»Ich liebe Tobias und ich wusste, du hättest mich überredet, zu bleiben.« Die Motive, die ich unter Tränen benannte, konnte er nicht nachvollziehen. Auch Sophie stellte sich auf die Seite ihres Schwagers. Sich ohne Vorwarnung aus dem Staub zu machen, missbilligte meine ältere Schwester aufs Schärfste. Sie verzieh mir jedoch schnell. Länger dauerte die Versöhnung mit Frederik. Er konnte meine Entscheidung nur schwer nachvollziehen. Für meinen Sohn war es völlig unbegreiflich, dass ich mein gesichertes Leben an der Seite seines Vaters gegen die Ungewissheit mit einem viel jüngeren Mann eintauschte. Die Einzigen, die sich mit bösen Kommentaren zurückhielten, waren Mutter Ellen und Nadja. Schwiegertochter und Enkel kamen gern zu Besuch. Sie störten sich nicht am einfachen Ambiente des kleinen Strandhauses, das Tobias und ich für die erste Zeit an der französischen Mittelmeerküste gemietet hatten. Wenn es
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