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Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Ausgeflittert (Gesamtausgabe)

Titel: Ausgeflittert (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frieda Lamberti
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nicht auf deine Freiheiten verzichten. Sorry, aber da habe ich auch keine Idee, wie man das unter einen Hut bekommt.«
   »Vielleicht solltest du Tobias dieses Haus überlassen. Im Verschenken von Häusern bist du ja ganz groß. Dann wählst du je nach Laune deinen Zielort. Ist dir der Sinn nach der harmonischer Familie, fährst du mit dem Zug nach Hamburg. Juckt dir die Möse, dann nimmst du den Flieger nach Nizza«, lacht Anke.
   »Schön, dass ihr das so amüsant findet.« Mir ist weniger zum Lachen zu Mute. Nach dem Essen führe ich ein langes Telefongespräch mit meiner Schwester. Sie hat zwar auch keine Lösung parat, bietet mir jedoch an, sie für einige Tage auf einem Segeltörn zu begleiten.
   »Vielleicht hilft es dir, den Kopf klar zu bekommen.« Das hoffe ich auch.

Die Enkel freuen sich, dass es nun ins schöne Haus am Meer gehen soll. Ferien mit Oma sind immer etwas Besonderes. Bis spät in den Abend aufbleiben dürfen. Schwimmen im Pool. Angeln am Strand. Deutsches Fernsehen. Der freundliche Nachbar Robert empfängt uns nach der Landung und fährt uns in gemächlichem Tempo durch die Abendsonne zum Haus. Als die Kinder aufgeregt in ihre Zimmer stürmen, tritt Isabelle herein und überreicht mir einen Korb mit Post und eine Pizza, die sie für uns am Nachmittag frisch vorbereitet hat.
   »Hast du ihn gesehen?«
   »Nein«, antwortet sie, »keiner hat ihn gesehen.« Wir Frauen trinken zusammen einen Tee und ich durchforste die Post nach einer Nachricht von Tobias. Außer Rechnungen und Werbung ist nichts dabei. Die Kinder sehen einen Walt Disney Film an und ich schreibe eine Einkaufsliste für den kommenden Tag. Ich bringe die kleine Lilly ins Bett, die bereits auf dem Sofa eingeschlafen ist. Behutsam decke ich sie zu und gebe ihr einen leichten Kuss auf die Stirn. Die Jungen schlagen noch ein Stunde heraus und versprechen, dann auch schlafen zu gehen. Ich lege mich ins Bett und versuche, in einem Buch zu lesen. Aber ich kann mich nicht konzentrieren und lese jeden Satz zweimal. Ich lege die Lektüre zurück in den Nachtschrank und berühre dabei einen Bilderrahmen, der ein gemeinsames Foto von Tobi und mir aus besseren Zeiten zeigt. Beim Beseitigen der Verwüstungen hatte ich das Bild in die kleine Kommode verbannt. Wegschmeißen konnte ich es nicht. Ich studiere das Foto und betrachte sein Gesicht in allen Einzelheiten. Seine Lachfalten um den Mund und um die Augen. Seine schönen schwarzen, wohlgeformten Augenbrauen, seinen zärtlicher Mund und die strahlend weißen Zähne, seinen Dreitagebart, der mir oft Grund zum Kichern und Kreischen gab. Ich seufze und drücke das Bild fest an meine Brust. Ein Stechen in der Nase kündigt sich als bekannter Vorbote für nachfolgende Tränen an.
   »Gute Nacht, Omi, wir gehen jetzt schlafen«, sagt Loris.
   »Zähne sind geputzt», ruft Jasper. Das Stechen in der Nase hat von ganz allein aufgehört und ich lege das Bild zurück in den Schrank.

Der Wind hat über Nacht das erste Herbstlaub in den Pool geweht. Für ein Bad am Morgen ist das Poolwasser im Oktober zu kalt. Mit Glück und einigen Sonnenstunden über Mittag können die Kinder später noch baden. »Lasst uns nach dem Frühstück in den Ort fahren und einkaufen«, schlage ich vor. Ich nehme meine Autoschlüssel vom Bord, um meinen Einkaufskorb in den Kofferraum zu stellen. Als ich die Heckklappe des Wagens öffne, staune ich. Es liegen unzählige Lavendelsträuße im Kofferraum. Ich nehme die Trockenblumen aus dem Wagen und bringe sie auf die Terrasse. An jedem Strauß hängt ein kleines Kärtchen. Das kommt nie wieder vor. Es tut mir so leid. Ich liebe dich so. Verzeih mir bitte. Ich wollte dich nie verletzen. Nimm mich zurück. Ich schäme mich so. Denk an unseren Traum. Ich vermisse dich. Lass es mich wieder gut machen. Wir waren doch so glücklich. Mein Herz rast. Ich renne ins Haus und schaue an das Schlüsselbord. »Wo ist meine Handtasche?«, rufe ich den Kindern zu. Mit einem Griff ziehe ich meinen Lederbeutel vom Sofa und durchkrame ihn hastig. Der Zweitschlüssel. Tobias hat meinen Zweitschlüssel. Wie sonst hätte er den Kofferraum öffnen können? Wenn er Schlüssel für den Wagen hat, hat er auch Schlüssel für das Haus. Ich rufe die Kinder und fahre mit Vollgas von der Auffahrt. Wir halten beim Supermarkt und kaufen Lebensmittel, Getränke und drei Drachenflieger. Ich verspreche meinen Enkeln, nach dem Mittag mit ihnen an den Strand zu gehen und den Wind

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