Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
René.
»Ich bezweifle, dass sie je einen guten Charakter hatte«, sagt Tobi.
Die Märzsonne scheint schon warm und ich liebe es, im Frühjahr in Mitten von blühenden Pfirsichbäumen zu sitzen. Für ein ausgedehntes Frühstück hat Tobi an diesem Morgen keine Zeit. Er ist mit dem Inspekteur der Versicherung verabredet, der endlich den Brandschaden in seinem Appartement begutachten will. Tobias beabsichtigt, das Geld der Versicherung für die Renovierung zu verwenden und die Wohnung nach Fertigstellung zu verkaufen. Er ist in Eile. Nane hat sich telefonisch zu einem Besuch angekündigt und er brennt nicht darauf, mit ihr zusammenzutreffen. Als der Fahrer vom Limousinen Service klingelt, verabschiedet sich Tobi mit fünf Küssen von mir und verspricht, mit Clara gegen Mittag direkt wieder nach Hause zu kommen.
»Geht mir dein Mann aus dem Weg?«
»Tobias hat Termine wegen dem Brandschaden.« Ich erschrecke über das neue Outfit meiner Besucherin.
»Haute Couture.«
»Du siehst aus wie Queen Mum. Nimm den lächerlichen Hut ab! Wir sind doch nicht beim Pferderennen!» Ich hole ein sauberes Gedeck aus der Küche und stelle es für sie auf den Tisch. Nane erzählt, dass sie jetzt dem örtlichen Yachtclub beigetreten ist. Sie schwärmt von den internationalen Mitgliedern, die alle gut situierte Unternehmer sind.
»Du hast doch gar kein Boot«, sage ich belustigt. Das neue Clubmitglied erklärt, dass das auch nicht notwendig ist. Es geht ihr schließlich nur um adäquaten Umgang.
»Die Zeiten, in denen ich in Renés Imbissbude gegessen habe, sind vorbei«. Mir platzt der Kragen und ich bin genervt von ihrem aufgesetzten Highsociety Gehabe.
»Wenn ich dich erinnern darf, hast du nicht bei René gegessen, sondern in seiner Küche gearbeitet. Als es dir dreckig ging, war dir dieser Imbiss gut genug. Was ist los mit dir Nane? Das Geld hat aus dir eine arrogante Pissnelke gemacht.«
Ich schreibe die Einladungskarten für unsere Hochzeitsnachfeier und Tobias spielt mit Clara im Pool.
»Mamam«, ruft die Kleine. Sie will mir ihren mutigen Sprung vom Beckenrand in die Arme ihres Vaters zeigen. Ich schaue auf. Es ist das erste Mal, dass Clara mich so nennt und ich bekomme bei achtundzwanzig Grad und Sonnenschein eine Gänsehaut.
Unsere Nächte sind kurz. Morgens um sechs Uhr kitzelt die Kleine ihren Vater wach. Nachdem Tobi sie in den Kindergarten bringt, geht er einkaufen und bereitet das Mittagessen vor. Vormittags kümmere ich mich um die Geschäfte. Nach dem gemeinsamen Mittagsessen wechseln wir. Bis zum Abend beschäftige ich mich mit Clara, während Tobias kreativ im Büro Atelier arbeitet. Die Abende gehören uns glücklichen Eltern. Besuche bei René beschränken sich auf den Samstagabend.
»Wie geht es der Bilderbuchfamilie«, fragt Nane am Telefon. Ich ignoriere ihren sarkastischen Unterton. Zwar hat Tobi sich bei ihr für die Vorwürfe entschuldigt, aber das Verhältnis ist nicht mehr so freundschaftlich, wie vor ihrem Streit. Nane hat sich verändert. Uns Frauen verbinden überhaupt keine Gemeinsamkeiten mehr. Wir leben in verschiedenen Welten. Sie zieht den Umgang mit ihren neuen Bekannten aus dem Yachtclub vor.
»Ich werde mein Haus verkaufen und nach Korsika ziehen«, berichtet sie. Ein Wiener Finanzberater macht ihr seit Wochen den Hof. Ich lernte ihn schon kennen, als ich Nanes neue Villa besuchte. Er ist mir unsympathisch. Ich empfinde ihn als aufdringlich und überheblich. Optisch erinnert er mich an Norbert. Allerdings ist er noch fetter und hat noch weniger Haare, als das Hamburger Original. Ich erfahre, dass der Wiener Nane überredet hat, in einen Hotelkomplex zu investieren und ihr gerade erworbenes Anwesen wieder abzustoßen.
»Handelst du nicht übereilt?« Die neureiche Nane ist keine Expertin in finanziellen Dingen. Sie kann nur Geld ausgeben.
»Du meinst wohl, glücklich zu sein, wäre dein persönliches Privileg! Du bist doch auch mit Tobi auf und davon. Also warum gönnst du es mir nicht?« Ich schüttle den Kopf und frage mich, wie ich mit dieser Frau überhaupt einmal befreundet sein konnte. Ich wünsche ihr alles Gute. »Sie rennt in ihr Unglück«, sage ich leise.
Ich stimme Tobias zu, René das Projekt Hochzeitsnachfeier zu überlassen. Seit Tagen klingeln Lieferanten und junge Bühnenbauer, die im Garten eine Tanzfläche und einen Überstand für die Musiker bauen.
»Wird das nicht eine Nummer zu groß«,
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