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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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nichts weiter passiert. »Danke für die Info«, sage ich.
    Damit setze ich bei Nick offenbar den nächsten Denkprozess in Gang: »Wir haben ein Problem.«
    »Das kannst du laut sagen«, krächzt Rufus, der vorübergehend sein Gleichgewicht wiedergefunden hat, »einen Zehn-dreizehn nämlich!«
    »Ähhh … Weiß ich nicht«, gibt Nick zu. »Auf jeden Fall haben wir Ratten im Bau, und so, wie es aussieht, haben sie Natalie entführt.«
    »Ratten?«, frage ich.
    »Natalie?«, fragt Rufus. Dabei scheinen vor Besorgnis seine Augen näher zusammenzurücken. Hat mich meine Ahnung also nicht getäuscht. Schon seit Wochen denke ich, dass Rufus ein heimliches Auge auf seine kleine Schwester geworfen hat.
    »Wasnjetz zuerst?«, fragt Nick.
    »Die Ratten«, sage ich.
    »Natalie«, sagt Rufus.
    Ich werfe meinem kleinen Bruder einen Seitenblick zu. Der Typ ist echt am Anschlag. »Also schön«, sage ich. »Natalie zuerst.«
    »Na ja«, fängt Nick an, »wir haben da also gegraben. Nach unten. Wie du gesagt hast, Rufus. Und, also, da war dann plötzlich dieses Loch im Boden, und irgendwie sind da Ratten reingekommen … Und die haben dann Natalie mitgenommen …« Er schlenkert ziellos seine Vorderbeine umher. »Also, äh … Ich schätze, das war’s.«
    Bevor ich etwas erwidern kann, sind vier kurze, dumpfe, sehr schnell aufeinanderfolgende Schläge zu hören. Der Lichtkegel von Rufus’ Lampe verlässt Nicks Gesicht, wandert die Wand empor über die Decke und bleibt in dem Moment stehen, da ein weiterer dumpfer Aufprall mir sagt, dass mein kleiner Bruder gerade der Länge nach auf den Boden geschlagen ist. Ich schicke Nick los, um den Bau zu evakuieren, rolle die Hantel in die Asservatenkammer hinüber und mache mich daran, den bewusstlosen Rufus nach oben zu schleifen.
     
    Bis alle Familienmitglieder sich vollständig auf dem großen Hügel eingefunden haben, kann Rufus immerhin schon wieder aufrecht sitzen und mit beiden Augen in dieselbe Richtung gucken. Die Grabungsteams haben sich derweil zu Gruppen zusammengefunden und sind von mir inspiziert worden. Natalie ist die Einzige, die fehlt. Alle anderen sind unverletzt. Nadja befand sich zwar vorübergehend ebenfalls in der Gewalt der Entführer, wurde aber wieder laufengelassen, um die Forderungen zu überbringen, die sich an die Freilassung ihrer Schwester knüpfen. Diese lauten wie folgt: Die Ratten wollen kostenfreien Zugang zum Stromnetz, siebzehn Meter Verlängerungskabel sowie eine Carrera-Bahn mit Looping. Die Freilassung von Natalie erfolgt nach erfolgreichem Testlauf der Carrera-Bahn.
    »Das ist alles nur so gekommen, weil wir nicht genug bekommen können«, nuschelt Ma.
    Ganz unrecht hat sie nicht. Grabungsteam Drei konnte offenbar tatsächlich nicht genug bekommen: Sie haben sich so tief ins Erdreich gewühlt, dass sie in die Kanalisation durchgebrochen sind.
    Wenn man den Schilderungen von Nadja und Nick glauben schenkt, handelt es sich bei den Entführern um »fette, glänzende, stinkende, sehr große Ratten«. Mit anderen Worten: Berliner Kanalratten. Diese Information ist wichtig. Als ich es wage, unseren neuen Feind beim Namen zu nennen, geht ein Raunen durch die Menge. Nur die Albaner-Ratten in Frankfurt/Oder und die sächsischen Neonazi-Ratten sollen noch gefährlicher und skrupelloser sein. Wobei über die Neonazi-Ratten kaum verlässliche Informationen vorliegen, da sie sich glücklicherweise praktisch nie aus ihren Löchern wagen. Die Frage ist: Was tun?
    Ratlosigkeit macht sich breit. Die Gerüchte über unseren Gegner sind so zahlreich wie widersprüchlich. Manche wollen wissen, dass Berliner Kanalratten bereits kurz nach der Geburt mit asiatischen Kampftechniken vertraut gemacht werden, andere dagegen behaupten, dass sie über ein riesiges Arsenal an Schlagringen und Fonduegabeln verfügen, mit dem sie sogar Einsatzteams der Stadtreinigung in die Flucht schlagen. Die Augen des Clans ruhen auf Pa, Rocky und mir. Danke für das Vertrauen, Freunde. Wenn ich jetzt noch eine Idee hätte …
    Glücklicherweise werden wir alle kurzfristig abgelenkt, als Rufus, der sein geschwollenes Ohr betastet, murmelt: »Und einen Zehn-dreizehn haben wir außerdem.«
    Nach einem kurzen Blick in die Runde ist klar, dass keiner, aber auch wirklich
keiner
aus dem Clan eine Ahnung hat, was ein Zehn-dreizehn ist.
    Ich erkläre also: »Eine mögliche Gefahr für den Clan.«
    »Ein externer Angriff, der den Grundbestand der Sippe gefährdet«, präzisiert Rufus. Etwas, das

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