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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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im Zoo an Waffen in Umlauf ist, früher oder später in diesem Koffer: Nagelclipper, Lötkolben, Zangen, batteriebetriebene Laserschwerter, Schnappmesser … Kong zieht eine Karte aus dem Deckel und hält sie hoch. Beim zweiten Hinsehen erkenne ich, dass darauf ein Fußballspieler abgebildet ist.
    »Voodookarte«, knarzt er und steckt sie vorsichtig zurück. »Sehr gefährlich.«
    Zum ersten Mal bewegt sich mehr von ihm als zwei Finger oder ein Arm. Er richtet seine fünf Zentner Muskeln auf, stützt sich auf alle viere und beginnt, im Koffer zu kramen. Ganz schönes Chaos da drin. Rufus würde erst einmal ein vernünftiges Ablagesystem einrichten. Plötzlich hält Kong etwas in der Hand, und ich blicke in die Mündung eines stählernen Pistolenlaufs. Mit aller mir zu Gebote stehenden Kraft kneife ich meine Hinterbacken zusammen.
    »Schätze, du meinst die hier«, glaube ich ihn sagen zu hören.
    Er dreht sie um und reicht sie mir, Griff voran. Erst, als ich sie an mich presse, setzt mein Atem wieder ein.
    »Danke, Mann. Was kriegst’n dafür?«, frage ich. Als würde ich jeden Morgen in einen Pistolenlauf starren, nur so, zum Spaß.
    Kong lehnt sich in seine Ecke und legt seinen Arm um den Baumstumpf. Scheinen ganz dufte Kumpels zu sein – er und sein Baumstumpf.
    »Was issnjetz mit dem Preis?«, frage ich.
    Kong macht eine Handbewegung, als störe ich ihn beim Nachdenken. »Möglich«, kriecht seine zähe Stimme über die Fliesen, »dass ich dich eines Tages um einen Gefallen bitten muss …«
    »Äh … cool«, entgegne ich. »Klar, Mann. Kein Problem. Einen Gefallen … Und das war’s jetzt? Ich kann gehen – einfach so?«
    »Du
solltest
jetzt gehen.«
    »Okay.« Ich presse die Pistole an mich, die Arschbacken zusammen und drehe mich um. »Danke noch mal.«
    »Moment noch.«
    Es ist, als würde mich seine Stimme im Genick packen und über die Fliesen schleifen. Seine zwei Finger winken mich zu sich. Als ich neben ihm stehe, beugt er sich noch einmal vor, zieht etwas aus dem Kofferdeckel und reicht es mir. Es ist … ein Kästchen, ein rotes Kästchen zum Aufklappen. Und in dem Kästchen liegt – ich lasse den Deckel aufschnappen – eine Glitzerhaarspange! Und sie ist mit Diamanten oder so was besetzt. Sie glitzert wie der Sternenhimmel! Die ist garantiert ein Vermögen wert, denke ich, und genau als ich diesen Gedanken denke, rutscht mir das Herz in meine kurzen Beinchen. Ist das jetzt so etwas wie eine Liebeserklärung? Kong? Und ich? Ich stelle mir vor, wie ich das Mark aus den Ästen knabbere, für ihn einspeichele und es ihm dann in den Mund …
    »Ist echt lieb von dir«, sage ich, »aber … Also, ich kann das echt nicht annehmen, ich bin sicher, du hast …«
    Meine Lunge wird von den Fingern eines schwarzbehaarten Schraubstocks zerdrückt.
    »Würde Elsa sicher gut stehen, meinst du nicht?«, nuschelt Kong. Der Schraubstock tätschelt mir den Kopf und staucht mir liebevoll das Rückgrat zusammen.
    »Elsa«, bringe ich mühsam hervor.
    »Wie ich höre«, setzt Kong an, während seine Zunge nach eingespeichelten Markresten in seinen Zahnzwischenräumen sucht, »befindest du dich gerade auf dem aufstrebenden Ast.«
    »Tja, schätze, so was spricht sich rum. Du weißt ja, wie …« Ich spüre, wie sich unter dem Druck seiner Finger meine Wirbelkörper voneinander verabschieden.
    »Lass gut, sein, Erdmännchen«, schnalzt Kong. Offenbar hat seine Zunge noch einen hübschen Nachtisch aufgestöbert. »Sagen wir einfach, du schuldest mir einen Gefallen.«
    Er löst seinen Griff, und meine Wirbelkörper freuen sich wie Bolle, dass sie wieder beisammen sind. »Cool«, sage ich, »also, wenn ich mal was für dich tun kann, brauchst du nur …«
    »Ist besprochen.«
    »Stimmt, hast recht, ist besprochen. Also dann …« Ich strecke ihm meine Klaue hin.
    Seine Hand rollt auf mich zu wie ein schwarzbehaartes Donnergrollen. Doch statt meine Klaue zu schütteln, lässt mich Kong mit einem Schnipsen seiner Finger samt Pistole und Kästchen zärtlich über den Fliesenboden rutschen und gegen den Türstock schlagen.
    »Alles klar«, keuche ich zum Abschied, »bis dann, Kong.«

Kapitel 9
    Phil wartet die Pause zwischen zwei durchziehenden Schulklassen ab, bevor er unauffällig die Tupperdose aus dem Mülleimer zieht, in der ich die Pistole deponiert habe. Die Bereiche um das Elefantenhaus und das Blumenbeet sind noch gesperrt, der Zoo aber hat seine Pforten wieder geöffnet. Ziemlich schlau von mir –

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