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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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herumzupopeln.
    »Bobby?«, frage ich genervt.
    »Hm?«
    »Ich bin immer noch da.«
    »Kannst durch.«
    Der Unterschied zwischen den westlichen und östlichen Flachlandgorillas besteht im Wesentlichen darin, dass die östlichen Flachlandgorillas noch dümmer und noch gewaltbereiter sind als ihre Kollegen aus dem Westen und dass sie noch undeutlicher sprechen. Sich mit Robby auf eine Diskussion einzulassen ist demnach wenig aussichtsreich. Wenn ich eine realistische Chance haben will, bis ins Allerheiligste vorzudringen, muss ich versuchen, sein ugandisches Flachlandhirn mit den eigenen Waffen zu schlagen.
    »Ey, Robby«, herrsche ich ihn an, »Kong lässt dir ausrichten, du sollst mich sofort zu ihm bringen.«
    Robby sieht verdutzt aus: »Jetzt gleich?«
    »Sofort, Mann!«
    Ich treffe Kong in seinem Privatgemach an. Wenn man ihm so direkt gegenübertritt, wirkt er noch furchteinflößender als sonst. Selbst jetzt – sitzend im Dämmerlicht – ist er riesig. Und schwarz. Sein Brustumfang würde mir ausreichen, um einen netten kleinen Bungalow samt Pool reinzubauen. Wenn er furzt, denke ich, fallen hier wahrscheinlich die Fliesen von den Wänden. Lässig lehnt er in einer Ecke, den einen Arm um einen Baumstumpf gelegt, den anderen um ein Gorillaflittchen mit auftoupierten Haaren, das schmatzend das Mark aus einem Holunderzweig lutscht, es mit ihrem eigenen Speichel vermischt, dann ihre Lippen auf Kongs stülpt und ihm den Brei mit einem wohligen Grunzen in sein Maul schiebt. Ekliger geht’s kaum. Nicht einmal im Halbdunkel. In meinem Rücken, neben der Tür, steht Rudy, Kongs Bodyguard.
    »Hallo, Kong«, sage ich.
    »Hmmchrmmhm«, kommt es aus der Ecke.
    Berggorillas sind eine Unterart der östlichen Gorillas, und ja, sie sprechen noch unverständlicher als ihre Freunde aus dem Flachland. Kong kriegt seine Zähne praktisch gar nicht auseinander, und oft weiß man nicht, ob er einem etwas sagt oder ob einfach nur seine Lunge rasselt.
    »Danke, dass du mich empfängst, Kong«, schleime ich mich ein. »Ich muss mit dir sprechen – unter vier Augen.«
    Kong grunzt etwas und löst den Arm von seinem Flittchen, das daraufhin den Raum verlässt, allerdings nicht ohne mich vorher noch mit einem abfälligen Blick zu bedenken. Was die sich einbildet! Mit so einer würde ich im Leben nichts anfangen. Ich stehe auf Frauen mit Klasse! Auf Frauen wie Elsa.
    Ich blicke mich um. Rudy steht neben der Tür wie festgeschraubt. »Was ist mit dem da?«, frage ich.
    Kong gibt ein paar Laute von sich, die ich in meinem Kopf zu folgendem Satz zusammenpuzzle: »Seine Augen sind meine Augen.«
    »Verstehe«, entgegne ich. »Also: Die Sache ist die …«
    Ich erkläre Kong, dass wir da an etwas dran sind und eine Waffe suchen, eine Pistole, vermutlich Kaliber . 22 , und dass, falls ihm so eine Pistole über den Weg gelaufen sein sollte, es echt wahnsinnig knorke von ihm wäre, wenn er sie mir … Also, weil sie doch ein wichtiges Beweisstück sei, und der Typ, der sie suche, wäre auch durchaus bereit, etwas springen zu lassen, und überhaupt: Berggorillas waren mir schon immer die liebsten von allen.
    Als ich fertig bin, ist es dunkel, und ich sehe nur noch Kongs Silhouette. Seine Augen liegen so tief, dass ich sie nur erahnen kann. Die gesamte Zeit über hat er nicht die kleinste Regung erkennen lassen. Unter uns: Ich glaube, dass ist das Geheimnis seiner Macht: Er lässt sich nicht in die Karten gucken. Nie. Keiner weiß jemals, was er denkt oder fühlt – ob er vorhat, dich umzubringen oder dich laufenzulassen. Mit Erschrecken stelle ich fest, dass der kahl geflieste Raum zu zittern beginnt, die Fugen zwischen den Fliesen verschwimmen. Fast bin ich beruhigt, als ich den Grund dafür erkenne: meine Knie. Weich wie Marshmallows.
    Mit zwei Fingern seiner linken Hand winkt Kong Rudy zu sich. Sonst bewegt sich gar nichts an ihm. Nur diese beiden Finger. Von dem kann ich echt noch was lernen. Rudy durchquert den Raum wie ein schwarzer SUV und beugt sich zu Kong hinab, so dass dessen Maul sein Ohr gerade so nicht berührt. Kurz darauf fährt der SUV aus dem Raum. Als er eine gefühlte halbe Stunde später zurückkommt, zieht er einen quietschenden Alu-Rollkoffer hinter sich her, der matt im Halbdunkel glänzt. Mit geübtem Schwung stellt er ihn vor Kong ab und nimmt seinen Platz neben der Tür wieder ein. Kong lässt die Scharniere aufschnappen. Als er den Deckel aufstellt, erhasche ich einen Blick ins Innere. Offenbar landet alles, was

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