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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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aus?«, fragt er irgendwann. »Habt ihr sie gefunden?«
    »War nicht dabei«, antworte ich zögerlich.
    Jetzt nimmt er doch die Brille ab: »War nicht
wo
bei?«
    »Bei denen, die wir gefunden haben«, sage ich entschuldigend.

Kapitel 8
    Spätestens von jetzt an ist nichts mehr so, wie es mal war. Ich weiß nicht, ob ich das gut finden oder bedauern soll. Aber letztlich spielt es keine Rolle. Wir können das Rad nicht zurückdrehen. Der unbestreitbare Vorteil ist: Wir sind endlich wer. Hier ist etwas Großes im Gange, und wir sind ein Teil davon. Außerdem bin
ich
endlich wer. Seit ich die Xbox klargemacht habe, werde ich von den jüngeren Clanmitgliedern wie ein Popstar verehrt. Auch die anderen Tiere im Zoo begegnen mir neuerdings mit Respekt. Bisher war ich für viele das spleenige Erdmännchen, das einen Weg aus seinem Gehege gefunden hatte, morgens seine Runde drehte und einen auf dicke Hose machte. Inzwischen aber haben sogar die Pinguine mitgeschnitten, dass ich nicht irgendwer bin, sondern ein krasser Checker.
    Das einzige Tier im gesamten Zoo, das sich so wenig für mich interessiert wie zuvor, ist Elsa. Schätze, das ist es, was man Ironie des Schicksals nennt. Giacomo hat ihr erzählt, dass er sie hier rausholen wird und dass ihnen eine gemeinsame Zukunft in Freiheit bevorsteht. Er hätte Kontakte und sei da an was dran. Wahrscheinlich würde er ihr sogar erzählen, er sei Undercover-Agent des FBI , wenn er glaubte, dass er sie so schneller flachlegen könnte. Wie gerne ich diesem Fettsack den Elektroschocker in seinen Hintern rammen und eine Grillwurst im Pelzmantel aus ihm machen würde! Aber so etwas bringe ich natürlich nicht. Bin schließlich nicht Rocky. Außerdem will ich, dass Elsa auch so kapiert, dass dieser Poser ein wichtigtuerischer Windbeutel ist und ich die bessere Wahl bin.
    Der unbestreitbare Nachteil ist: Seit der Sache mit der Handgranate stehen wir unter permanenter Beobachtung – des Direktors. Mann, ist der sauer. Vier Leichen in einer Woche. Das bedeutet nicht nur, dass der Zoo bis auf weiteres geschlossen bleibt. Außerdem muss er sich mit einem Krater im Elefantengehege herumschlagen, der Bauaufsicht, dem Tiefbauamt, dem Innensenator, der Polizei und einer Presse, wie sie sich ein Zoodirektor für seinen Tierpark eher nicht wünscht. Auch das Fernsehen war schon da. Und wird wiederkommen. Wir haben unseren eigenen Direktor in den Nachrichten gesehen, auf dem Smartphone. Die dunklen Kreise unter seinen Achseln waren so groß wie Autoreifen. Angstschweiß, Mann. Ich kann ihn riechen bis in unser Gehege – jedes Mal, wenn der Direktor rüberkommt. Und das passiert derzeit öfter, als mir lieb ist. Erst vorhin war er wieder da, hat mich minutenlang gemustert und schließlich gesagt: »Wenn ich es nicht besser wüsste …«
    »Einen Scheiß weißt du«, habe ich geantwortet, ihm meinen Hintern gezeigt und mich für einen Moment ziemlich gut gefühlt.
    Aber eins ist allen klar: Sollte der Direktor irgendwann auf die Idee kommen, unseren Bau ausheben zu lassen, gehört der »extrem hohe Freizeit- und Bildungswert« der Vergangenheit an, bevor er richtig Einzug gehalten hat.
     
    »Was gibt’s Neues?«, frage ich Phil.
    »Du meinst, außer dass ich dem Verschwinden eines alten Industriellen nachspüren sollte und jetzt in einem Berg aus Leichen stehe?«
    »Genau.«
    Phil sieht so aus, als würde er sich seit einiger Zeit mit der großen Warum-und-weshalb-und-was-soll-das-eigentlich-alles-Frage herumschlagen und keine Antwort finden. Wie alle. Das Leben. Wozu? Weshalb? Fragen, die sich ein Erdmännchen nicht stellt. Zumindest nicht, wenn es Rocky heißt. Am Ende des Tages sollten uns die Menschen leidtun, schätze ich.
    »Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass die beiden Fälle gar nichts miteinander zu tun haben«, überlegt er. »Aber es gibt auch Übereinstimmungen … Bei den Leichen handelt es sich in allen Fällen um ältere Männer.«
    »Wie bei von Sieversdorf.«
    »Wie bei von Sieversdorf«, bestätigt Phil. »Alle sind erschossen worden, und alle innerhalb der letzten achtzehn Monate. Ich hab mal ein bisschen recherchiert: Nichts. Keiner weiß, wer die drei sind.«
    »Anders als bei von Sieversdorf«, werfe ich ein.
    »Tja, da passt es wieder nicht …« Er blickt zum Elefantengehege hinüber, wo man damit beschäftigt ist, den Bergungskran in seine Einzelteile zu zerlegen und abzutransportieren. Hinten am Zaun stehen Heiner, Nicole und Benjamin dicht

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