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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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die Pistole in der Tupperdose. So sieht es aus, als würde Phil einfach seine Stulle essen. Er schlägt das Brotpapier zurück.
    »Browning, Buck Mark, Kaliber . 22 «, stellt er fest. »Wurzelholzgriff. Totale Angeberknarre. Mit so etwas rennen Leute rum, die früher zu viel James Bond gesehen haben.«
    Er schlägt sie wieder ins Brotpapier ein, nimmt sie aus der Dose und lässt sie in seiner Sakkotasche verschwinden. Die Dose legt er in den Eimer zurück. Wie wär’s mit ›Gute Arbeit, Ray‹, denke ich, oder ›Danke, Mann‹?
    Stattdessen wischt sich Phil die Finger an einem Taschentuch sauber: »Bisschen weniger Mayonnaise hätte es auch getan.«
    Er holt ein Päckchen aus seiner Umhängetasche, blickt sich um und stellt es ins Gehege. Bevor ich Gelegenheit habe, mich auch nur umzusehen, sind Nino und Nick da und bugsieren den Karton in Richtung Höhleneingang, wo Rufus sie bereits erwartet.
    »Aktivboxen«, erklärt Phil, »damit könnt ihr aus dem Smartphone wahlweise ein Kino oder eine Disco machen.«
    Ich bin mit meinen Gedanken woanders. »Klingt nach Atze«, bemerke ich, »die Knarre. Der Typ wollte mehr sein, als er war.«
    »Ach ja?«
    »Ja, Mann. Die Pumas haben mir erzählt, dass er Futter unterschlagen und sie auf Zwangsdiät gesetzt hat. Fanden die gar nicht lustig. Das Fleisch soll er unter der Hand an einen Dönerladen verhökert haben. Ich meine – wer macht denn
so
was?«
    »Hat auch mal achtzehn Monate wegen gefährlicher Körperverletzung gesessen«, klärt Phil mich auf. »Eine Schlägerei in einem Nachtclub.«
    Wir hängen unseren Gedanken nach. Die nächste Schulklasse kommt und geht. Auf dem verwaisten Eiswagen sitzen zwei Tauben. Die Luft ist schwer von dem Geruch nach Currywurst und Sonnencreme.
    »Weißt du, was ich nicht zusammenkriege?«, denkt Phil vor sich hin.
    Klar weiß ich das: »Atze und Bea – der Raubtierpfleger und die Eisverkäuferin.«
    »Gibt es ja oft: dass sich Frauen Typen suchen, die nicht gut für sie sind …« So, wie Phil das sagt, klingt es, als sei es bei ihm andersherum – als suche
er
sich immer
Frauen
, die nicht gut für
ihn
sind. »Aber einen dreifachen Mord? Die herzensgute Mittvierzigerin Bea mit dem freundlichen Wesen soll drei alte Herren auf dem Gewissen haben – und ihren Typen?«
    »Vielleicht steckt der alte von Sieversdorf dahinter«, schlage ich vor.
    »Ein dreiundsiebzigjähriger Unternehmer mit einer blendend laufenden Firma soll drei andere Männer seines Alters aus dem Weg geräumt haben? Wo ist denn da das Motiv?«
    Vor meinem inneren Auge flackert Giacomos pelziges Doppelkinn auf: »Eifersucht?«, frage ich.
    Phil blinzelt mich an. »Na schön, probieren wir’s: Hanno von Sieversdorf hat sich unsterblich in Bea verliebt, erst drei Nebenbuhler und anschließend ihren Lebensgefährten aus dem Weg geräumt? Wahrscheinlich noch, weil Bea ihn dazu angestiftet hat? Oder andersherum: Sieversdorf hat Atze damit beauftragt, die drei aus dem Weg zu räumen und anschließend seinen Auftragskiller beseitigt?«
    »Klingt nicht sehr überzeugend«, gebe ich zu.
    »Hinzu kommt, dass Atze aus nächster Nähe erschossen wurde. Selbst wenn von Sieversdorf oder, noch unglaublicher, Bea ihn auf dem Gewissen haben sollte: Wer von denen hat das Zeug dazu, Atze die Pistole auf die Brust zu setzen und abzudrücken? Logisch wäre, wenn er sich selbst erschossen hätte. Der Tape-Lift-Test hat an seinen Händen jede Menge Schmauchspuren nachgewiesen. Abgedrückt hat er also auf jeden Fall. Aber einer wie Atze … Der würde auf alles schießen, nur nicht auf sich selbst. Auf die Idee käme der gar nicht.«
    Inzwischen dreht Giacomo mir vor meinem inneren Auge seinen Hintern zu und grinst mich über die Schulter hinweg an. Ein fieses Grinsen, die hässliche Fratze desjenigen, der sich seiner überlegenen Position sicher ist.
    »Aus enttäuschter Liebe vielleicht«, überlege ich.
    »Eifersucht würde ich Atze noch durchgehen lassen, aber enttäuschte Liebe? Was ist denn überhaupt los mit dir?«
    »Nichts – ich dachte nur.«
    »Na schön: Atze bringt aus Eifersucht drei alte Männer um, weil sie seiner Freundin schöne Augen machen. Drei Männer, die außerdem zufällig niemand vermisst, nachdem sie verschwunden sind. Als Hanno dann auftaucht, ist Atze so beeindruckt, dass er sich selbst umbringt? Mal abgesehen davon, dass das alles keinen Sinn ergibt – eine Erklärung für die Blutspuren an den Servietten haben wir damit auch noch nicht. Und wo zum

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