Ausgefressen
Schirrmachers Sohn vorhin gesprochen hat.«
Phil nimmt das Foto und betrachtet es nachdenklich: »Vielleicht ist die nette, freundliche, sympathische Eisverkäuferin Bea nicht ganz so sympathisch, wie alle denken.« In dem Moment klingelt sein Handy. Er checkt das Display, zieht wieder eine Augenbraue in die Höhe, die andere diesmal, und nimmt das Gespräch entgegen: »Constanze.« Mit seiner Stimme könnte man eine Buttercremetorte bestreichen. »Ich wollte dich auch gerade anrufen. Wir sollten uns sehen …« Er wendet sich von mir ab. »Ist gut. Bis nachher.« Er verstaut sein Handy im Jackett, steckt das Foto von Rüdiger Rohloff ein und tut so, als wäre alles wie immer.
»Ist das so üblich?«, frage ich.
»Was?«
»Du weißt schon – dass Privatdetektive sich mit ihren Auftraggeberinnen duzen und so.«
Er stellt die Tasche neben den Fernseher und bedeutet mir, hineinzuklettern. »Du stellst zu viele Fragen.«
Kapitel 13
Phils Bau ist beeindruckend. Als wir eintreten, würde ich gerne anerkennend durch die Zähne pfeifen. Leider kann ich ebenso wenig pfeifen wie erstaunt die Augenbrauen heben. Ich könnte fiepen, aber das ist ja nicht dasselbe wie pfeifen. Wer schon mal Roxane gehört hat, wenn sie mit Rocky rummacht, der weiß, was ich meine. Jedenfalls finde ich Phils Behausung beeindruckend. Sie besteht im Grunde aus nur einem Raum, der bestimmt so groß ist wie unser komplettes Gehege. Die Wände sind in einem schmutzigen Grau gehalten, was ich ebenso geschmackvoll finde wie den angestaubten Holzfußboden. Einzig die deckenhohen Fenster machen mich nervös.
»Fühlst du dich hier nicht beobachtet?«
Phil weiß offenbar nicht, was ich meine. Erstaunt schaut er hinaus auf die Dächer der Stadt. »Beobachtet? Von wem denn?«
»Von … Feinden?«, versuche ich ihm auf die Sprünge zu helfen.
Er sieht mich an. »Was denn für Feinde?«
Mir fällt ein, dass die genetisch veranlagte Angst vor Adlerangriffen keine typisch menschliche Eigenschaft ist. »Vergiss es«, sage ich.
Dann will ich mich möglichst locker aufs Sofa fallen lassen. Dazu nehme ich Anlauf, nutze einen Zeitungsstapel, um auf ein Tischchen zu gelangen und hechte von dort in hohem Bogen auf eine riesige, alte, dunkelblaue Couch. Dass ich zu viel Schwung drauf habe, merke ich erst, als mich die Sprungfedern des Möbelstücks quer durch den Raum katapultieren. Unsanft pralle ich gegen eine Wand, bleibe dort kurz kleben und stürze dann zu Boden wie ein Albatros auf Traubenzucker. Zum Glück fängt eine Yuccapalme meinen Aufprall ab. Ich berappele mich und tue so, als sei nichts geschehen. »Hübsch hast du es hier.«
»Danke«, erwidert Phil und reibt sich die Schläfen. Er sieht müde aus. Eigentlich sieht er ständig müde aus.
»Willst du was trinken?«, fragt er und nimmt eine halbvolle Flasche aus dem Regal. Daneben stehen noch mehrere volle Flaschen, die sich gleichen wie ein Flamingo dem anderen.
»Gern. Was hast du denn so?« Ich erklimme einen Sessel und fläze mich lässig auf die Armlehne.
»Kaffee, Scotch und Leitungswasser.«
»Aha. Und was trinkst du so?«
»Scotch. Und später vielleicht Kaffee.«
»Nehm ich auch«, entgegne ich und spähe zum Kühlschrank, wo ein einziges Foto hängt. Es zeigt einen Mann und eine Frau, die freundlich winkend in die Kamera schauen. Die Aufnahme muss uralt sein, die Farben sind bereits verblasst.
Phil hat ein kleines Glas auf den Küchentresen gestellt und mit Scotch gefüllt. Jetzt hebt er mich hoch und setzt mich dort ab. Er füllt für sich ein wesentlich größeres Glas und nickt mir zu. »Cheers!«
Ich interessiere mich immer noch für das Foto und laufe über den Tresen zum Kühlschrank. Dazu muss ich an meinem Drink vorbei. Wow! Allein der Geruch bringt mich zum Torkeln. Dieses Zeug kippt Phil also ständig in sich hinein. Er muss die Konstitution eines Nashorns haben. Obendrein dürfte er sich auch jeden Morgen so fühlen wie Justus, wenn der wieder mal Bekanntschaft mit dem Stahlgeländer gemacht hat.
»Pass auf!«, warnt Phil, aber zu spät.
Auf meinem Weg zum Kühlschrank höre ich ein gefährliches Blubbern, fast gleichzeitig wird mir infernalisch heißer Dampf auf den Arsch geblasen. Erschrocken springe ich zur Seite und rutsche dabei fast vom Tresen.
»Die Kaffeemaschine ist kaputt«, erklärt Phil.
Ich winke ab. Schon gut. Ich habe in den letzten Tagen ziemlich abgefahrenen Kram erlebt. Eine fauchende Kaffeemaschine kann mich deshalb, wenn überhaupt, nur
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