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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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sie doch wissen müsste, dass sie in Phil einen verständnisvollen Zuhörer hat?
    »Und wann willst du zur Polizei gehen?« Sie klingt niedergeschlagen.
    »Gleich morgen früh«, antwortet Phil. »Ich wüsste nicht, warum wir noch länger warten sollten. Wie gesagt, ich weiß einfach nicht weiter.«
    Sie schweigt und nippt traurig an ihrem Espresso. Ich kann Phil ansehen, dass ihr Anblick ihm ins Herz schneidet. »Es ist besser so«, sagt er sanft. »Außerdem hat die Polizei viel mehr Möglichkeiten als ich. Wer weiß, ob ich nicht einen entscheidenden Hinweis übersehen habe.«
    Sie nickt fast unmerklich und schaut gedankenverloren in ihre Tasse. Dann ist plötzlich ein leises Schluchzen zu hören, ihre schmalen Schultern zucken, und eine Träne fällt in den Kaffee. Und dann noch eine.
    Im nächsten Moment ist Phil an ihrer Seite und legt sachte einen Arm um sie. Sie lehnt sich zurück und lässt den Kopf an seine Schulter sinken. Dabei scheint ihr Körper förmlich in seine Arme zu fließen. Sie sieht ihn an.
    Zwischen ihre Nasenspitzen passt nicht einmal mehr ein Libellenflügel. Ein Kuss ist so gewiss wie der morgige Sonnenaufgang. Ich sehe Constanzes blassblaue Augen, die hinter dem Tränenschleier nur noch ein pastellfarbener Schimmer sind. Langsam sinken Phils Lippen auf die ihren.
    Da er mir gerade den Rücken zuwendet, kann ich nur erahnen, wie sein Gesicht vor Glück schimmert und sein Verstand dahinschmilzt. Sonst müsste er nämlich begreifen, dass sie ihm gerade eine Falle stellt. Ich weiß zwar nicht, warum, und ich kann auch nicht genau sagen, wie die Falle beschaffen ist, aber ich will kein Erdmännchen mehr sein, wenn hier nicht gerade etwas Megaoberfaules abgeht.
    Gleich berühren sich ihre Lippen.
    »Tu es nicht, Phil«, flüstere ich, um meinen Partner vor einem entscheidenden Fehler zu bewahren.
    Im gleichen Moment zuckt Constanze erschrocken zurück. »Was war das?«
    »Was denn?«, fragt Phil nicht minder erschrocken.
    »Dieses Fiepen.« Sie späht in meine Richtung, und noch bevor ich mich ducken kann, treffen sich für den Bruchteil einer Sekunde unsere Blicke. Mist, verdammter.
    Sie springt auf. »Oh mein Gott«, stößt sie angewidert hervor. »Du hast da eine … Ratte auf dem Schrank.«
    »Nein, warte. Das kann ich erklären, das ist nur …«, will Phil die Sache einrenken, aber Constanze lässt ihn gar nicht ausreden.
    »Schon gut, Phil.« Sie ringt sich mühsam ein Lächeln ab. »Vielleicht sollten wir diese Grenze nicht überschreiten. Ich mag dich wirklich, aber ich bin nicht bereit für …« Sie setzt ihre Sonnenbrille auf, und es wirkt, als habe sie das Visier einer Rüstung heruntergeklappt. »Gib mir einfach etwas Zeit.«
    Sie macht sich auf den Weg zur Tür. Der kalkweiße Phil folgt ihr. Nebenbei wirft er mir einen Blick zu, wie ich ihn sonst nur von Justus kenne, wenn ich Witze über den Hintern seiner Frau mache.
    Phil und Constanze verschwinden aus meinem Blickfeld. Man hört, dass die Wohnungstür geöffnet wird.
    »Bitte, geh nicht!«, höre ich Phil sagen.
    »Lass uns reden, wenn das alles hier vorbei ist«, entgegnet Constanze beschwichtigend.
    Einen Moment ist es still.
    Dann sagt Phil fast flüsternd: »Du bedeutest mir sehr viel«.
    Wieder Stille.
    »Wenn ich dir wirklich etwas bedeute, dann geh morgen nicht zur Polizei, Phil. Die Presse wird Wind von der Sache bekommen. Und dann stehe nicht nur ich im Mittelpunkt des Medieninteresses, es wird auch ein ungeheurer Druck auf die Entführer entstehen. Ich befürchte einfach, dass dann eine Kurzschlussreaktion vorprogrammiert ist.«
    »Wir wissen noch nicht, ob dein Vater wirklich …« will Phil einwenden, aber Constanze lässt ihn nicht ausreden.
    »Ich weiß, was du sagen willst, Phil. Trotzdem können wir uns die Presse nur vom Hals halten, indem wir die Polizei draußen lassen.«
    »Aber ich kann nichts mehr tun«, erwidert Phil.
    »Nur noch ein paar Tage. Vielleicht gibt es neue Spuren. Oder vielleicht findest du auch den entscheidenden Hinweis, wenn du alle Indizien noch einmal durchgehst.«
    Stille. Tu es nicht, Phil, sie will dich nur hinhalten.
    »Nur ein paar Tage«, wiederholt Constanze flüsternd. »Tu es für mich.«
    »Also gut«, sagt Phil. »Ich werde noch mal alles überprüfen. Schritt für Schritt. Aber wenn ich nichts finde, gehen wir zur Polizei.«
    »Danke«, sagt sie. Ich ahne, dass sie ihm nun ein aufmunterndes Lächeln schenkt. Vielleicht haucht sie ihm auch ein Küsschen auf die

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