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Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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nicht schlecht.
    Die Maschine faucht pfeifend heißen Dampf über den Tresen, Phil dreht sich knurrend auf die Seite und dann tröpfelt tatsächlich schwarzer, heißer Kaffee in meine Tasse.
    Wenig später geht es mir blendend. Ich habe die Herzfrequenz einer Spitzmaus mit Todesangst, aber die Kopfschmerzen sind verschwunden, und meine Reflexe sind auch wieder normal. Letzteres erkenne ich daran, dass ich in einem Affenzahn Phils Yuccapalme umgrabe. Dabei rasen meine Gedanken. Wie geht es jetzt weiter? Phil weiß genauso gut wie ich, dass wir sämtliche Indizien sorgfältig geprüft haben. Es wird also zu nichts führen, wenn wir den Fall zum x-ten Mal haarklein durchgehen. Wir bräuchten einen neuen Hinweis, und das heißt, im Grunde können wir nichts anderes tun als warten.
    Während die Erde der Yuccapalme durchs Zimmer, gegen die Wand und gegen das Fenster fliegt, beschäftigt mich eine andere Frage wesentlich drängender: Soll ich bei Phil noch einmal das Gespräch darauf bringen, dass ich Constanze im Verdacht habe, kein ehrliches Spiel zu spielen?
    Ich habe das eben verständlicherweise nicht angesprochen. Falls ich es doch noch täte, würde ich zuvor alle Waffen aus Phils Reichweite entfernen. Aber die eigentliche Frage lautet: Bringt es überhaupt was, Phil mit Fakten zu konfrontieren, die er nicht akzeptieren will? Gleich habe ich den Boden des Topfes erreicht.
    Vielleicht muss Phil selbst herausfinden, ob Constanze es ernst mit ihm meint. Sollte sich herausstellen, dass sie ihn einfach nur benutzt hat, würde das Phil mit Sicherheit einen empfindlichen Nackenschlag versetzen. Aber er könnte dann die Wahrheit nicht mehr leugnen.
    Meine Krallen erreichen den Boden des Topfes, kratzen mehr und mehr auf Ton. Ich weiß nicht, ob es der Alkohol oder der Kaffee ist, jedenfalls kann ich nicht aufhören. Wieder und wieder fördern meine messerscharfen Krallen Tonstaub zutage. Und was, wenn ich falschliege? Was habe ich Constanze eigentlich vorzuwerfen? Etwa, dass Angst in ihren Augen zu sehen war? Das ist lächerlich wenig für einen Verdachtsmoment. Warum soll sie außerdem einen Detektiv damit beauftragt haben, ihren Vater zu finden, wenn sie irgendwas mit dessen Verschwinden zu tun hätte? Das ist unlogisch. Oder wie Rufus sagen würde: hochspekulativ.
    Ich lasse mich erschöpft neben den Topf sinken. Der Gedanke an meinen Bruder und meine Familie lässt mein Herz ein bisschen ruhiger schlagen. Hab ich da gerade etwa so was wie Sehnsucht nach den Nervbacken aus meinem Bau verspürt? Jedenfalls lernt man das Leben offensichtlich schätzen, wenn man dem Tod binnen kürzester Zeit gleich mehrmals von der Schippe springt.
    Ich liege da, lausche meinem Atem, der sich langsam beruhigt, und betrachte das Chaos, das ich angerichtet habe. Überall liegt feuchte Erde herum. Sie klebt in den Ritzen des Holzfußbodens und bedeckt weite Teile jener Wand und jenes Fensters, die sich in der Ecke treffen, wo die Yuccapalme steht – oder vielmehr stand. Da ihr die Erde fehlt, ist sie auf die Seite gekippt und sieht jetzt aus, als wäre ihr schlecht vor Hunger und Durst. Wenn Phil diese Bescherung sieht, wird er mich gleich noch mal zur Melodie seiner . 38 er tanzen lassen.
    Ich sollte wenigstens ein bisschen Ordnung schaffen, denke ich, erhebe mich und beginne, das Fenster zu säubern. Es ist inzwischen zappenduster draußen, nur mit Mühe erkennt man die Dächer der gegenüberliegenden Häuser. Wenn ich mich ein wenig strecke, kann ich die Straße sehen. Direkt vor Phils Haus befindet sich ein Laden, der offenbar nie geschlossen hat, zumindest dem Neonschriftzug und den erleuchteten Schaufenstern nach zu urteilen. Würde mich interessieren, was das für ein Geschäft ist. Rufus hat recht. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
    Gerade will ich mich wieder meinen Aufräumarbeiten zuwenden, da stockt mir der Atem. Die Tür des Ladens, der niemals schläft, öffnet sich, und eine Frau tritt ins Freie. Sie trägt zwei Plastiktüten und geht mit schnellen Schritten die Straße hinunter. Ich muss ein zweites Mal hinsehen, um mir sicher zu sein, dass ich mich nicht täusche. Dann weiß ich, dass dort unten Bea, unsere verschwundene Eisverkäuferin, vorbeispaziert.
    »Phil! Wach auf! Wir müssen los! Phil! Hörst du mich?!«
    Ein Knurren. Phil öffnet nicht einmal die Augen. In einem Zeichentrickfilm würde ich jetzt auf ihn draufklettern und ihm die Augenlider hochziehen. Darunter wäre dann zu lesen: Außer Betrieb. Doch dies ist

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