Ausgefressen
der Sofalehne. Vor uns auf dem Balkon sitzen Bea und Hanno. Phil hat die Tür geöffnet, damit wir uns unterhalten können.
»Es tut mir wirklich leid«, sagt Bea zerknirscht. »Ich wollte Sie nicht verletzen. Ich hatte einfach nur Angst.«
»Schläge auf den Kopf gehören zu meinem Berufsrisiko«, erwidert Phil. »Wenn mir allerdings so was passiert, dann habe ich meistens etwas übersehen. Ich frage mich, was es diesmal war.«
»Beeindruckend, dass Sie uns überhaupt gefunden haben«, mischt Hanno sich ein. »Dennoch gehe ich davon aus, dass Sie einen ganz falschen Eindruck von dem Fall haben. Mag sein, dass wir beide keine Unschuldslämmer sind, die mit Abstand gefährlichste und herzloseste Person in diesem perfiden Spiel ist jedoch … Ihre Auftraggeberin.«
Phil zieht die Augenbrauen hoch, worauf von Sieversdorf bestätigend nickt. »Ich wette, meine Tochter hat auch Sie reingelegt.«
»Dann erzählen Sie mir doch mal ihre Version der Geschichte«, erwidert Phil und gießt sich noch einen kleinen Scotch ein. »Ich bin ganz Ohr.«
»Wir lieben uns«, fällt Bea mit der Tür ins Haus.
Phil und ich tauschen überraschte Blicke.
»Dabei hätte ich mich um Haaresbreite an Hannos Tod mitschuldig gemacht.« Ihre Augen füllen sich mit Tränen.
»Sekunde«, unterbricht Phil. »Vielleicht fangen wir weiter vorne an. Außer der Leiche von Atze Neumann liegen drei weitere Leichen im Zoo. Würde mich schon mal interessieren, wie es dazu gekommen ist.«
Bea und Hanno sehen sich an. Er nickt ihr aufmunternd zu. Sie soll erzählen.
Bea schluckt tapfer die Tränen herunter. »Mein ehemaliger Lebensgefährte Atze hat drei Menschen auf dem Gewissen. Mich hat er dazu gezwungen, ihm zu helfen, zumindest teilweise.« Das Geständnis fällt ihr nicht leicht. Phil schweigt und lässt ihr Zeit, sich zu sammeln.
»Zuerst hat Atze mir einen kleinen Diebstahl schmackhaft gemacht«, fährt Bea fort. »Wir hatten kein Geld, träumten aber von einem Urlaub im Süden. Atze hatte im Zoo einen vermögenden Rentner beobachtet. Ich sollte sein Vertrauen gewinnen und ihn ablenken, während Atze in die Wohnung einbrechen und Wertgegenstände mitgehen lassen wollte. Atze behauptete, der Mann würde ein Vermögen besitzen und wäre sowieso gut versichert.«
»Und dieser Mann hieß Jürgen Becker«, wirft Phil ein.
Bea schüttelt den Kopf. »Der Mann hieß Alois Schirrmacher. Jürgen Becker war längst tot. Das habe ich aber viel später erst erfahren. Dass Becker mich mochte, brachte Atze überhaupt auf die Idee, alte Männer auszunehmen. Jedenfalls hat er die Sache heruntergespielt, und ich hab mich überreden lassen. Atze hat behauptet, Schirrmacher wäre so reich, dass er den Verlust von ein paar tausend Euro gar nicht bemerken würde. Im entscheidenden Moment habe ich trotzdem kalte Füße gekriegt. Es war mir egal, wie viel Geld Alois hatte. Er war nett und hatte es nicht verdient, so übel hintergangen zu werden.«
»Aber da war es schon zu spät«, mutmaßt Phil.
»Atze hatte nie vorgehabt, in Schirrmachers Wohnung einzubrechen. Er platzte plötzlich herein und zwang den alten Mann mit vorgehaltener Pistole, Kontonummern und Geheimzahlen zu verraten.« Bea stockt, ihr kommen nun doch die Tränen. »Und dann hat er den armen Alois einfach umgebracht.«
»Aber Schirrmacher war doch alles andere als reich«, wirft Phil ein.
Bea zieht ein Taschentuch hervor, trocknet die Tränen und schnäuzt sich. »Wie man es nimmt. Er hatte fast zehntausend Euro auf dem Konto.« Sie schüttelt den Kopf, als könnte sie selbst nicht fassen, was passiert ist. »Ich wollte zur Polizei gehen, aber Atze hat gesagt, wenn ich das mache, dann würde er vor Gericht behaupten, die ganze Sache wäre meine Idee gewesen. Ich hatte wahnsinnige Angst.«
»Und da haben Sie sich in Ihrer Not einem väterlichen Freund anvertraut«, vermutet Phil.
Bea nickt. »Rüdiger Rohloff. Er wollte mir helfen. Aber Atze hat uns belauscht. Er hat Rohloff noch am selben Abend in den Zoo gelockt und auch ihn umgebracht. Atze hat mich grün und blau geschlagen und gebrüllt, dass ich ebenfalls unter der Erde landen werde, wenn ich noch mal irgendwelche Tricks versuche.« Bea laufen nun die Tränen übers Gesicht. Sie versucht, mit dem Taschentuch die Augen zu trocknen, doch der Strom versiegt nicht. Hanno nimmt sie zärtlich in den Arm.
»Sie hat die Morde nicht verhindern können«, sagt er. »Ich hab selbst erlebt, wie hinterhältig und skrupellos dieser Atze
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