Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgefressen

Ausgefressen

Titel: Ausgefressen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
Vom Netzwerk:
auf dich«, flüstert er und lässt mich hinter seinem Rücken unauffällig zu Boden gleiten.
    »Hey, das ist krass!«, rufe ich. »Meine Eier spiegeln sich im Marmor!«
    Der Sicherheitsbeamte schaut von seinem Computer hoch. Offenbar hat der Mann mein erstauntes Fiepen gehört. Phil seufzt leise.
    »’tschuldigung«, flüstere ich und suche Deckung hinter einem blitzenden Mülleimer aus Edelstahl.
    »Pardon, ich habe Sie nicht verstanden«, sagt der Mann hinterm Tresen argwöhnisch. »Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
    Phil räuspert sich. »Ich dachte, ich hätte eine Ratte gesehen, die hier gerade reingelaufen ist. Aber da muss ich mich wohl getäuscht haben.«
    »Mit Sicherheit«, erwidert der Mann arrogant und lächelt breit. »Eine Ratte wäre mir bestimmt aufgefallen.«
    »Dann nichts für ungut«, sagt Phil. Er hebt zum Abschied die Hand und verschwindet in der Drehtür. Der Wachmann wendet sich wieder seinem Computer zu.
    Zeit für meinen Auftritt. In Windeseile trippele ich die Wand entlang, strecke mich dabei nach Rattenart und stoße kurze, schrille Schreie aus.
    Der Wachmann hebt den Kopf und springt auf. »Was zur Hölle …!«, ruft er, greift unter den Tresen und zieht eine beeindruckend große Wumme hervor.
    Ich muss schlucken. Außerdem stellen sich mir die Nackenhaare auf, und meine Laufgeschwindigkeit erhöht sich ebenfalls beeindruckend. Dieser Typ kann doch jetzt hier nicht einfach rumballern, denke ich noch, als ein leises metallisches Geklapper zu hören ist und fast gleichzeitig knapp hinter mir eine Salve Plastikschrot gegen ein bodentiefes Fenster prasselt.
    Kann er also doch. Mit einer Softair-Knarre. Wieder ein Klappern, und diesmal erwischen mich zwei Kugeln am Hintern. Das zwiebelt, als würde ich auf einem Quastenstachler reiten.
    Während der Wachmann mit seiner Wumme hinterm Tresen hervorkommt, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen, sehe ich Phil im Hintergrund unbemerkt zum Treppenhauseingang huschen.
    Wieder Geklapper, aber jetzt finde ich Schutz hinter einem Vorsprung. Die Kugeln sausen an mir vorbei. Ich atme kurz durch, dann flitze ich um die Fahrstühle herum und sehe Phil, der die Tür zum Treppenhaus eine Handbreit geöffnet hält, damit ich hindurchschlüpfen kann.
    Ich warte, bis der Wachmann zwischen den Fahrstühlen auftaucht, denn gleich danach bin ich für ihn im toten Winkel. Und genau diesen Moment nutze ich, um Anlauf zu nehmen, mich auf den Bauch zu werfen und über den Marmor bis vor Phils Füße zu rutschen. Punktlandung. Die Nummer habe ich mir bei den Pinguinen abgeguckt. Sorgt immer für begeisterte Reaktionen beim Zoopublikum.
    Rasch und lautlos schließt Phil die Tür. Wir huschen ein Stockwerk höher und verharren dort. Die Tür zum Treppenhaus bleibt geschlossen. Der Wachmann scheint die Verfolgung aufgegeben zu haben.
    Es ist ein hartes Stück Arbeit, zu Fuß in den neuzehnten Stock zu gelangen. Phil schnauft wie ein alter Steppenbüffel.
    »Halt durch, wir sind gleich da«, feuere ich ihn an.
    Phil hält inne. »Ray, hör auf damit!«
    »Ich will dich nur aufmuntern, Kumpel. Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
    »Schönes geteiltes Leid, wenn du in meiner Manteltasche hockst und dich von mir nach oben tragen lässt«, mault Phil.
    »Sei nicht ungerecht!«, erwidere ich. »Gerade eben habe ich mein Leben für dich aufs Spiel gesetzt.«
    Phil stöhnt leise. Könnte an der Anstrengung liegen, könnte aber auch bedeuten, dass ich ihm mächtig auf die Nerven gehe.
    Apartment 19 c liegt am Ende eines fensterlosen Ganges, der in warmes Kunstlicht getaucht ist. Phil wartet ein paar Atemzüge, bis sich sein Puls beruhigt hat, dann betätigt er den Klingelknopf. Ich vergrabe mich in der Manteltasche und beobachte das Geschehen durch einen winzigen Riss im Futter. Der Riss ist sehr winzig, also vergrößere ich ihn ein wenig mit meinen Krallen.
    »Was machst ’n da?«
    »Nix.« Ein leises Reißen.
    »Ray, lass das!«
    Man hört, dass jemand aufsperrt. Die Tür öffnet sich und wird abrupt von einer Sicherheitskette gestoppt. Durch den Spalt ist das müde Gesicht von Bea zu erkennen. »Ihr Kollege war schon da. Die Klimaanlage läuft längst wieder. Und sonst ist auch alles okay.«
    »Ich komme nicht wegen der Klimaanlage«, erwidert Phil. »Ich würde gerne mit Hanno von Sieversdorf sprechen.«
    Bei der Erwähnung des Namens zuckt sie zusammen. »Das muss ein Irrtum sein«, lügt sie schlecht.
    »Ich bin Privatdetektiv. Seine Tochter hat mich beauftragt, ihn zu

Weitere Kostenlose Bücher