Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Transaktionen belastet werden. Derivatezocker, die einen Kapitalbetrag täglich von Markt zu Markt verschieben, um von der jeweiligen kleinen Marge, also der Differenz zwischen einer überhöhten Kurzfristrendite des einen Investments und der noch überhöhteren Kurzfristrendite des anderen Investments, zu profitieren, kämen auf das Jahr gerechnet kumuliert auf hohe Steuersätze von über 40 Prozent, die diese Parasitenstrategie unrentabel machen würden. Eine grandiose Idee! Aber eine, für deren Umsetzung bisher noch kein Staat der Welt den Mut hatte.
Kein Wunder: Über 80 Prozent der weltweiten Devisentransaktionen sind kurzfristige »Roundtrips«, bei denen innerhalb von nur wenigen Tagen bis maximal einer Woche die Kapitalbeträge weltweit im Kreis herumgeschoben werden, bis sie wieder am Ausgangspunkt angekommen sind und sich dabei vermehrt haben. Über die Hälfte aller Aktienkäufe entfallen auf den sogenannten Hochfrequenzhandel, der nur von Computern gesteuert werden kann: In Nanosekunden werden dabei Kursdifferenzen zwischen verschiedenen Börsen ausgewertet und Kaufentscheidungen getroffen – und zwar Millionen von Kaufentscheidungen pro Minute. Die Frequenz ist so hoch, die Entscheidungszeiten sind so kurz, dass es nach Aussage eines Insiders schon einen Unterschied macht, ob ein Server nur ein paar Hundert Meter oder einen Kilometer von der Börse entfernt ist. Der Gewinn entsteht nicht mehr aus dem Sinn und der Richtigkeit einer Investition heraus, sondern aus ihrer Geschwindigkeit. Wenn man bedenkt, dass es sich dabei letztlich um Investitionen in Unternehmen handelt, wo Menschen aus Fleisch und Blut arbeiten …
Eine Tobin-Steuer würde diesen Tumor austrocknen und in Windeseile beseitigen – und damit die lukrativen Jobs von Zigtausenden. Die ganze unheilvolle Branche würde zusammenschrumpeln wie eine Qualle in der Sonne. Wir sollten uns keine Illusionen machen: Kampflos lässt sich diese ultravermögende und international enorm einflussreiche Zockerkaste die zentimeterdicke Butter auf gar keinen Fall vom Brot nehmen. Natürlich ist ihr Drohpotenzial martialisch: Sie würden bei der Einführung einer solchen Steuer einfach ihr Geld woanders platzieren und einen Bogen um den besteuernden Staat machen. Davor haben die Politiker Angst.
Auf der Suche nach dem Desinfektionsmittel
Die Finanzwirtschaft wuchert darum völlig außer Rand und Band und hat bereits groteske Formen angenommen. Das Handelsvolumen von Devisentransaktionen und von Zinsderivaten, also der von der Realwirtschaft abgekoppelte Geldhandel mit allen seinen Metastasen, ist laut unterschiedlichen wissenschaftlichen Quellen heute schon siebzig- bis hundertmal größer als die Wirtschaft mit realen Gütern. Wir ernähren mit unserer täglichen Arbeit ein völlig außer Kontrolle geratenes Geschwür, das mittlerweile so monströs geworden ist, dass wir dabei sind, unter seiner Last zusammenzubrechen. Die nicht mehr enden wollenden weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrisen der letzten Jahre sind sichtbare Symptome.
Wir müssen den Finanzmarkt regulieren. Das ist für mich eine Frage jenseits aller Ideologie, eher eine Frage des Überlebens. So wie in einem gesunden Wald der Borkenkäfer und andere parasitäre Lebensformen ihre Berechtigung haben, so hat auch eine regulierte Finanzwirtschaft ihre Berechtigung. Investmentbanken und -fonds können und dürfen nicht abgeschafft werden, aber anstatt sie wie Tumore wuchern zu lassen, müssen sie Teil des Organismus werden, nicht ihr Killer.
Selbst die deutsche Politik bekennt sich mittlerweile über fast alle Parteigrenzen hinweg zu einer Regulierung der globalen Finanzmärkte. Das Bewusstsein, dass zweistellige Renditeforderungen unanständig sind, kehrt nach und nach in das Bewusstein der deutschen Öffentlichkeit zurück. Wir erinnern uns, dass sich schon die Philosophen des Mittelalters einmal kategorisch gegen eine Verzinsung von Kapital ausgesprochen haben, außer es wird in ein Unternehmen oder eine Rente investiert. Für geschäftliche Investitionen in die Realwirtschaft war ein moderater Zins sogar ausdrücklich erwünscht. Rein spekulative Geldgeschäfte aber waren durch das Zinsnahmeverbot von Papst Innozenz III. Anfang des 13. Jahrhunderts streng verboten. Wir waren in diesem Punkt also schon mal weiter.
Noch heute gründet unser Bürgerliches Gesetzbuch auf den altbewährten Ansichten unserer Zivilisation über vernünftige Zinsen und faire Erträge, die sich bis ins
Weitere Kostenlose Bücher