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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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wahrgenommen und ausgewertet werden.
    Kinder, die es nicht gewohnt sind, fernzusehen, und dann mal bei Freunden oder in einem Hotel oder im Kino einen Kinderfilm zu sehen bekommen, sind noch Wochen später fasziniert davon und spielen und sprechen die Szenen immer wieder nach, um sie zu verarbeiten. So viel Information kommt da an. Aber Anna und Otto Normalverbraucher, die durch tägliche Übung Fernsehweltmeister geworden sind, wissen schon am nächsten Tag nicht mehr, was sie eigentlich gesehen haben. Die Informationen werden einfach absorbiert und durch den täglichen Strom der Bilder überdeckt.
    Fernsehen wird konsumiert, ohne dass das in irgendeiner Weise anstrengend ist. Ein Fernsehzuschauer muss nichts tun, nichts denken, nichts entscheiden, nichts fühlen, nichts sagen, in keinster Weise reagieren. Fernsehen ist ein Tun ohne Tun. Der Input wird den freiwillig wehr- und antriebslosen Menschen reingedrückt.
    Das ist ungefähr so, wie in einem Discounter einzukaufen. Auch da sind die Zahlen ähnlich: 97 Prozent der Deutschen kaufen bei Discountern.
    So grottenschlecht der Input im Fernsehen unter inhaltlichen oder künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten überwiegend ist, so schlecht ist die Produktqualität in unseren billigen Massenmärkten, von Möbeln bis Lebensmitteln. Sowohl im TV als auch im Konsum-Business ist es die Kunst der Marketingprofis, Schlüsselreize der Konsumenten anzusprechen: Neid und Sex hier, Neu und Billig da. Qualität braucht es da nicht. Neid ist wichtiger als Neugier, Porno ist wichtiger als Kunst, Neu ist wichtiger als Bewährt, und Billig ist wichtiger als Gut.
    Auch vor dem Discounter-Regal steht der Konsument passiv und lässt sich lenken. Denken muss er nicht und tut er nicht, genauso wenig wie ein Fernsehzuschauer trifft er bewusste Entscheidungen oder informiert sich über die Hintergründe dessen, was ihm angeboten wird. Milch? Greifen, kaufen, fertig. Gerade deshalb geht er ja in den Discounter bzw. setzt sich vor den Fernseher, weil er keine Entscheidungen treffen will. Das Angebot, passiv sein zu dürfen, macht ja gerade die große Anziehungskraft von TV und Discounter aus.
    In beiden Konsumwelten muss der Konsument nicht kommunizieren. Das »Hallo« und »Auf Wiedersehen« an der Kasse schafft er gerade noch, genauso wie er es gerade noch schafft, die fünf, sechs wichtigen Tasten auf der Fernbedienung zu drücken. Er zappt sich durch das Tchibo-Regal wie durch die Glotze, hier wie dort wird von den Programmmachern ständig nachgelegt.
    Stabile Marken existieren dabei sowohl im Discounter als auch im Fernsehen immer seltener. Ein paar Klassiker noch, hier Milka, da der Tatort. Immer wieder neu werden Formate und Werbung durch den Kopf gejagt, werden Reize gesetzt. Und dann wird abkassiert.
    Ich gebe es zu, ich bin gar nicht kompetent, um über das Fernsehen zu reden. Ich habe keinen Fernseher. Vielleicht habe ich ja auch ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn es um das Einkaufen im Discounter geht, denn auch das tue ich nie. Aus Prinzip. Ab und zu bekomme ich ein wenig Einblick in das aktuelle TV-Programm, wenn ich irgendwo unterwegs in einem Hotel bin. Und ein- oder zweimal im Jahr bin ich zu Recherchezwecken, also aus professionellen Gründen, in einem Discounter. Dann schaue ich mich um und mache Notizen, aber ich kaufe nichts.
    Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will mich nicht über die Mehrheit stellen. Ich bin lediglich in einem der ganz wenigen Haushalte aufgewachsen, in denen es keinen Fernseher gab und in dem der tägliche Bedarf nicht nur im Supermarkt gedeckt wurde. Ich bin also als Konsumaußenseiter schon im Kindesalter geprägt worden. Heute bin ich froh darüber.
    Der erste Fernseher kam in meinen Haushalt, als ich studierte. Nach einem Umzug vor einigen Jahren war ich dann mal ein halbes Jahr ohne, und das war so gut, dass ich dabeigeblieben bin. Aber wenn ich heute mal abends auf einem Hotelbett liege und in der Glotze rumzappe, kann ich genauso wenig damit aufhören wie jeder andere. Wenn ich reinschaue, bleibe ich hängen und lasse mich wehrlos runterziehen von dem, was ich da sehe. Was davon bleibt, ist der schale Nachgeschmack von verlorenen Stunden.
    Ja, es stimmt schon, vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten gibt es viele gute Kindersendungen, Filme, Dokumentationen und auch Talkshows. Das ändert aber nichts daran, dass das Fernsehprogramm
zum wesentlichen Teil
eben
nicht qualitätvoll
ist – und genau darin besteht die Parallele

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