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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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zieht es weiter, auf der Suche nach den nächsten Knospen. Seine natürlichen Feinde, Wolf und Luchs, gibt es bei uns nicht mehr. Das ist der Grund, warum wir Zäune bauen – um Knospen vor Rehen zu schützen. Welchen Schutz aber gibt es vor den Konzentratselektierern der globalen Finanzmärkte?
    Und: Wenn Rendite gut ist, Renditemaximierung aber nicht – wo ist dann überhaupt die Grenze zwischen beidem? Woran kann man erkennen, dass es sich nicht um eine fruchtbare Symbiose zwischen Kapitalgeber und Unternehmen handelt (was übrigens der Zweck von Geschäftsbanken ist), sondern um eine parasitäre Beziehung? In der Biologie erkennt man das daran, dass in einer Beziehung von Organismen die Fitness des einen ständig zunimmt und die Fitness des anderen ständig abnimmt.
    So, und jetzt schauen Sie sich einmal an, wie der Kapitalmarkt heute funktioniert. Wer wird immer fitter? Die Akteure des globalen Finanzsystems, die Investmentbanker, die Geldhändler, die Derivate-Makler, die Börsianer. Insgesamt: Fitnessgewinner sind die Menschen, die in der Finanzwirtschaft arbeiten. So ein Managing Director einer Investmentbank verdient laut Recherchen der Zeitung
Die Welt
zum Beispiel um die 250 000 Euro Fixgehalt plus einen Bonus von bis zu 50 Millionen Euro pro Jahr, wenn es gut läuft.
    Wessen Fitness nimmt stetig ab? Unsere. Die der Unternehmer und Mitarbeiter, ob in der Landwirtschaft, bei Dienstleistern, Zulieferern, im Handel oder in der Industrie. Insgesamt: Fitnessverlierer sind die Menschen, die in der Realwirtschaft arbeiten. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung betrug das monatliche mittlere Nettoeinkommen 2009 in Deutschland 1311 Euro. Gleichzeitig belief sich die Gesamtverschuldung pro Kopf, also die Summe aus privater und öffentlicher Verschuldung, durchschnittlich auf rund 48 000 Euro. Das nenne ich ausgelutscht.
    Ich bin sicher: Sie können sämtliche verbreiteten Missstände in der heutigen Wirtschafts- und Arbeitswelt untersuchen – von ausbeuterischen Handelsbeziehungen bis zu schlechten, krankmachenden Arbeitsbedingungen, von ungenügenden Finanzierungsmöglichkeiten für den Mittelstand bis hin zur ständigen Verschlechterung und Verbilligung von Produkten: Alle diese Fäden, an denen Sie ziehen können, führen Sie am Ende nach New York, London oder Frankfurt – zum globalen Investment-Banking. Dort werden Renditevorgaben ausgegeben, die so exorbitant hoch sind, dass am Ende die gesamte Wirtschaft unter enormem Druck eine einzige Finanzkennzahl über alles andere stellen muss: die Verzinsung des Kapitals pro Zeit, die Rendite.
    Diese Renditeforderungen brechen sich zwangsweise kaskadenartig herunter – von den internationalen Börsen über Investoren, Fonds und Großbanken zu den kleineren regionalen Banken und schließlich bis zur sprichwörtlichen Pommesbude und den Würsten, die sie im Großmarkt einkauft, der sie aus der Großschlachterei bezieht. Josef Ackermann und die Deutsche Bank (»Leistung aus Leidenschaft«) beispielsweise streben unbeirrt eine Rendite von 25 Prozent auf das Eigenkapital an (und bieten ihren eigenen Kunden gleichzeitig 1 bis 2 Prozent Zinsen auf deren Spareinlagen). 25 Prozent! Auf gut ökologisch heißt das: Kahlschlag!
    Die Renditeforderungen der Kapitalgeber sind schlichtweg obszön. Die Folge: Ein Produktionsunternehmen, das in Deutschland produziert, kann diese Renditen nicht erwirtschaften. Also wird es nicht finanziert oder nur zu schlechten Konditionen. Das lenkt und drängt die Produktion nach und nach aus dem Land. Ganze Branchen sind uns auf diese Weise abhanden gekommen, nehmen Sie nur mal die Textilindustrie. Ein Handelsunternehmen kann die Renditen nur erwirtschaften, wenn es immer größer wird, auf den billigen Preis und damit auf minderwertige Produkte setzt und Mitarbeiter sowie die komplette Lieferkette ausquetscht. Die gigantischen und gleichzeitig so ärmlichen Lebensmittelhändler sind das beste Beispiel. Die parasitären Investoren des globalen Finanzsystems hinterlassen am Ende immer Wüsten. Große Wüsten.
    Vor einigen Monaten hörte ich im privaten Kreis den Aufsichtsratsvorsitzenden einer regionalen Bank dem guten alten »Rheinischen Kapitalismus« hinterherträumen – ein Begriff, den Michel Albert 1991 mit seinem Buch
Kapitalismus contra Kapitalismus
prägte. Albert grenzte mit diesem Begriff die westeuropäische soziale Marktwirtschaft von der neoliberalen Marktwirtschaft amerikanischer Prägung ab. Rheinischer

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