Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Discounter-Filialen aber um knapp 10 Prozent gestiegen. 47 Prozent aller deutschen Lebensmittelgeschäfte sind inzwischen Discounter. Wir leben in der BRD, der Billigrepublik Deutschland. Und nachdem wir in der Nachkriegszeit im Durchschnitt etwa die Hälfte unserer Konsumausgaben für Lebensmittel ausgegeben haben, sind es heute gerade mal noch 11 Prozent. Die Preisspirale dreht sich immer weiter nach unten, und dementsprechend klein sind die Margen im Einzelhandel. Für jeden umgesetzten Euro können die Konzerne in Deutschland nur zwischen 0,5 und 2 Cent Rendite erwirtschaften, während in den USA und Großbritannien beispielsweise zwischen 5 und 7 Cent drin sind.
Nirgendwo auf der Welt ist der Lebensmitteleinzelhandel so knüppelhart wie hierzulande. Ein Handelsunternehmen hat da nach gängiger Meinung nur eine einzige Überlebenschance: Sei groß, sei größer, sei am größten. So groß sein wie irgend möglich, ist die Devise. Denn an der untersten Preisfront wird tonnenweise verkauft, dann ist wenigstens der Umsatz riesig, und dann wird die kleine prozentuale Marge mit immensen Stückzahlen auf absolute Milliardengröße gehebelt.
Seit die Brüder Albrecht Anfang der 60er Jahre den ersten Aldi in Dortmund eröffnet haben, steht das Produktmerkmal Preis im Mittelpunkt der meisten Kaufentscheidungen der Deutschen. Damals gab es noch eine Preisbindung für die meisten Markenartikel 1 und zudem das Rabattgesetz, das bis ins Jahr 2001 galt und Rabatte von mehr als 3 Prozent verbot. Aldi umging die Preisbindung mit No-Name-Produkten und war damit billiger als die Wettbewerber – der verbotene Rabatt war scheinbar eingebaut. Nach den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren waren die traumatisierten deutschen Hausfrauen so begeistert von dem neuartigen Konzept, systematisch Tiefstpreise anzubieten und stattdessen an Auswahl, Beratung, Dekoration und Werbung im Laden zu sparen, dass sie die Wirtschaftswundergehälter ihrer Ehemänner massenweise in die Aldi-Filialen trugen, von denen es bundesweit schnell Hunderte gab.
Die Discount-Idee war geboren, setzte sich fulminant durch – und machte Karl und Theo Albrecht zu den reichsten Männern Deutschlands. Der mittlerweile über neunzig Jahre alte Karl Albrecht rangiert auch heute noch unter den zehn reichsten Männern der Welt, er ist vermögender als Ingvar Kamprad, der Ikea-Gründer, und hätten die Albrecht-Brüder ihr Geld in einen Topf geworfen, anstatt ihr Imperium durch zwei zu teilen, dann hätten sie zeitweise mit Warren Buffett um den ersten Platz auf der Liste der reichsten Menschen der Welt gerungen.
Ein interessantes Detail: Dass einer der beiden Albrecht-Brüder alleine um knapp vier Milliarden US-Dollar reicher ist als Rob Walton, der Erbe des Wal-Mart-Vermögens, sagt viel über die wahre Machtverteilung im deutschen Markt aus. Die Albrechts hatten es raus, wie die Deutschen ticken. Und wer da seine Waren zu den niedrigsten Preisen anbieten kann, der kann offenbar am meisten Geld verdienen. Das ist eine interessante Information und gleichzeitig eine verblüffende Frage für die Konsumenten: Wenn man als Discounter so dermaßen gargantuesk reich werden kann, wie vorteilhaft sind die Tiefstpreisangebote dann für den Verbraucher wirklich?
In der Sackgasse
Um eines klarzustellen: Ich halte die Albrecht-Brüder nicht für die Panzerknacker. Ihre Story ist unglaublich, und vor ihrer unternehmerischen Leistung muss jeder halbwegs vernünftige Mensch größten Respekt haben. Insbesondere dem Marketingaspekt des Aldi-Konzeptes kann niemand Genialität absprechen: Mit viel Know-how, Mut, Präzision und Beharrlichkeit gaben die Albrechts ihren Kunden genau das, was sie wirklich wollten. Sie waren zudem innovativ und führten als erste Händler in Europa flächendeckend die Selbstbedienung ein. Es gab schon vor ihnen einige Pioniere, aber keiner konnte dieses neue Geschäftskonzept so erfolgreich und geschäftstüchtig umsetzen. Vereinfachung, wo es nur ging, ein kleines, sorgfältig ausgewähltes Sortiment: Aldi bot seinen Kunden Orientierung. Und wenn man diese Faktoren zusammennimmt – Kundenwünsche erkennen, professionell umsetzen, vereinfachen, Verantwortung für die Auswahl des Sortiments übernehmen, selbstbewusst auftreten, mit Autorität Orientierung bieten 2 –, dann sind das überraschenderweise alles Prinzipien, die ebenso auch für Manufactum gelten. Und es sind Grundsätze, die ich selbst von jedem Händler fordere.
Aber es gibt einen
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