Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
nicht gebraucht. Kein Innovationsdruck, kein frischer Wind, die Weide ist mit Elektrozaun und Stacheldraht umfriedet, vor besseren Produkten ist da jeder sicher.
Neulich traf ich einen der Category-Manager von einem der Mega-Handelskonzerne. Ich unterhielt mich mit ihm über Biere und warum es die tollen Biere jenseits der etablierten Marken, die von Regionalbrauereien aufgelegt werden, nicht in die großen Märkte schaffen. Seine Antwort: »Mein Job ist es, immer weiter an der Optimierungsschraube zu drehen. Und nicht, eine Revolution zu starten …«
Groß, größer, Größenwahn
Aber: Aus einer bestimmten Perspektive betrachtet, schaufeln sich die Unternehmen, die die Rendite über die Qualität der Produkte stellen, auf Dauer ihr eigenes Grab. Warum? Aus einem beinahe philosophischen Grund: Es ergibt keinen Sinn.
Aus der Renditeorientierung folgt der Wachstumsbedarf, denn Größenvorteile sind Kostenvorteile. Um zu wachsen, werden die Unternehmen auf die falsche Weise kundenorientiert und verlieren ihren Fokus auf das Produkt. Das heißt, sie versuchen, dem Kunden zu bieten, was der will, damit der Kunde möglichst viel kauft, denn viel bedeutet Größe und Größe bedeutet Rendite. Da der Kunde aber immer nur »billig«, »billiger!« und »am billigsten!!!« schreit, wird das Produktmerkmal Preis am höchsten gewichtet und das Produktmerkmal Qualität in allen seinen Facetten unterbewertet. Die Unternehmen werden zu Effizienzexperten, aber sie verlieren den Status, Experten für das Produkt zu sein. Produktwissen, was eines der wichtigsten immateriellen Güter für einen Händler ist, geht verloren. Es ist ein Kompetenzverlust. Und der hat langfristig fatale Folgen. Der scheinbar sicherste Weg, nämlich der Weg der Renditemaximierung, entpuppt sich irgendwann als das größte Risiko. Denn diese Unternehmen verlieren während der Renditehatz unterwegs ihren Sinn.
Nehmen wir die Banken. Dort wird die Renditeorientierung ja ohnehin auf die Spitze getrieben. Die wenigen Großbanken in Deutschland, die den Markt unter sich aufteilen, sind groß, rentabel – und überraschend instabil. Wer hätte gedacht, dass eine Wirtschaftskrise, die durch überoptimistische Hauskäufer jenseits des Großen Teichs ausgelöst wurde, massenhaft Großbanken in Europa zu Fall bringen könnte?
Aber eigentlich ist es logisch. Bei einer Volksbank oder einer Sparkasse kann es genauso Fehlspekulationen, Fehlinvestitionen, fehlerhafte Markteinschätzungen, betrügerisches egozentrisches Verhalten oder schlicht Dummheiten geben wie bei einer Großbank. Nur ist es nicht so schlimm, wenn eine von über 400 regionalen Sparkassen in Schieflage gerät. Sie geht pleite oder wird von einem Schwesterunternehmen geschluckt oder sie rettet sich irgendwie über die Runden. Es werden Köpfe rollen, und in den Provinz- und Lokalblättern werden sich ein paar Journalisten und Leserbriefschreiber aufregen, einige Bankkunden werden klagen, andere sich lediglich ärgern, ein paar Bankangestellte wechseln den Job. Aber das war’s dann auch schon.
Wenn aber eine Großbank strauchelt, wankt gleich das ganze sensible System der Finanzierung von Staaten, Großunternehmen und Großinvestoren. Das schlägt ganz furchtbare Kerben in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, und deshalb darf eine Großbank erklärtermaßen nicht pleitegehen. Deshalb werden sie mit Steuergeldern gerettet, siehe Commerzbank, IKB, Hypo Real Estate et cetera.
Eine Großbank ist extrem zentralisiert, aber sie ist von etwa gleich vielen fehlbaren Menschen abhängig wie eine Provinzsparkasse. Das Fehlerrisiko verteilt sich genauso auf nur ein paar wenige Top-Manager, und die machen genauso viele Fehler und sind genauso egoistisch wie ihre Kollegen bei der Sparkasse. Wenn sich aber einer bei einer Großbank verspekuliert, geht es sofort um viele Milliarden Euro, sind sofort viele Millionen Menschen betroffen, geht es sofort um Steuergelder erheblichen Ausmaßes. Großbanken haben ein eingebautes Klumpenrisiko: Sie dürfen sich keinen schlimmen Fehler erlauben, weil der Schaden viel zu groß ist – aber es passieren nun mal Fehler.
Hinzu kommt ein großer Nachteil: Eine zentralisierte Großbank ist nicht mehr vor Ort. Ja, auch eine Großbank hat Filialen und Geschäftsstellen. Aber in ihnen werden viel weniger Entscheidungen getroffen als in einer dezentral organisierten Sparkasse. Die Entscheidungsträger sind bei einer kleinen Volksbank viel näher dran an ihren Kunden.
Der
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