Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Hackfleischpackungen zu je einem halben Kilo werden pro Stunde von der Fleischfabrik ausgespuckt, das sind 50 pro Minute, ungefähr eine pro Sekunde. 12 Wir lieben Lebensmittel!
Fleisch hat strategische Bedeutung für die Supermärkte und Discounter, ein guter Preis für Fleischwaren zieht die Kunden in die Läden, außerdem sind Fleisch und Wurst die umsatzstärksten Lebensmittel in Deutschland. Das setzt die Handelskonzerne unter wachsenden Effizienzdruck bei der Produktion. Edeka hat nun vier Standorte im Südwesten Deutschlands durch diesen einen großen ersetzt. Die anderen drei werden dichtgemacht. Also gibt es die starke Tendenz zur Konzentration sogar auch innerhalb der Konzerne.
Das bedeutet, dass sich im Lebensmittelhandel die monokulturartigen Strukturen in drei Dimensionen ausbreiten: in der Breite (Konzentration auf wenige Konzerne), in der Höhe (Vertikalisierung der Wertschöpfungskette in einer Hand) und in der Tiefe (möglichst wenige, möglichst große Produktionsbetriebe). Angetrieben durch das ständige Billiger-und-immer-noch-billiger-Spiel entstehen megaeffiziente Riesenunternehmen. Das Ganze ist ein sich selbst verstärkender Regelkreis: Konzentration sorgt für weitere Konzentration.
Der scheinbare Vorteil für den Konsumenten – der niedrige Preis – gilt als derart dominant, dass dieser Faktor alles andere aussticht. Der Kunde kann seinen Geiz ausleben und beim Einkaufen sparen, sparen und sparen. Der Mangel, der dadurch an anderer Stelle entsteht, bei der Qualität in all ihren Ausprägungen nämlich, wird von den Konsumenten noch nicht als solcher empfunden, offenbar auch dann nicht, wenn er wie beim Produkt Fleisch schon längst offen sichtbar ist – erinnern Sie sich an die Tiertransportskandale, an Betablocker, an BSE, an Gammelfleisch, an Antibiotika im Fleisch? Und solange der Mangel noch nicht empfunden und nicht artikuliert wird, blüht die Monokultur.
Kürzlich sprach ich unter vier Augen mit einem Einkäufer von einem der großen Lebensmittelhändler. Ich sagte: Komm, jetzt lass mal die Hosen runter, wie läuft das wirklich bei euch? Was er mir daraufhin erzählte, war traurig, aber eigentlich ganz logisch. Seine Aufgabe sei es, sagte er, definitiv
nicht
, das Sortiment für den Verbraucher qualitativ zu optimieren, besseren Produkten eine Vermarktungschance zu geben, und schon gar nicht, die Welt zu verbessern. Seine Vorgabe und sein einziges Ziel seien, auf der Fläche X den Umsatz Y zu erwirtschaften und dabei die Lieferanten maximal zu drücken, um den Profit pro Quadratmeter maximal zu steigern. »Jedes Jahr ein paar Prozent mehr«, sagte er.
Und solange das so bleibt, ist der Massenmarkt für Qualitätshersteller so gut wie hermetisch abgedichtet: Da kommt keiner rein!
Es scheint keinen Ausweg zu geben. Kein Wettbewerber, kein Lieferant hat in Deutschland ernsthaft die Option, aus einem Konditionengespräch mit einem Category-Manager von Edeka oder Lidl zur Tür rauszugehen und Nein zu sagen. Wenn ein produzierendes Unternehmen bei einem der großen Händler gelistet ist, dann ist dieser Händler meist auch automatisch der mit Abstand größte Kunde des Produzenten. Und dann hat er ihn am Kragen. Der Händler stellt die Bedingungen, diktiert den Preis, verlangt Listungsgelder und Werbekostenzuschüsse, verlangt die Remission, also die Rücknahme nicht verkaufter Ware, und so weiter. Das ist das pure, exzessive Ausspielen von real existierender Macht. Und nur so können die Handelsgiganten existieren. Das Machtspiel ist ins Geschäftsmodell quasi eingebaut.
Dagegen kann niemand anstinken. Die Handelsgiganten brauchen große, extrem leistungsfähige Lieferanten, um wirklich effizient zu sein. Und zwar wenige Lieferanten – Vielfalt und Qualität sind die Stärken der kleinen, unabhängigen Anbieter. Aber Vielfalt und Qualität ist ja eben genau nicht, was der Handel wünscht. Und solange die Verbraucher sich darin mit dem Handel einig sind, geht das Machtspiel so weiter.
Die fünf, sechs großen Handelsketten, die unter sich den Lebensmittelmarkt aufteilen, versperren den besseren Produkten den Weg zum Verbraucher. Die Kunden kennen die guten Produkte meistens gar nicht. Wenn jemand eine tolle Zahnpasta herstellt, oder Nudeln, Brot oder Schokolade, aber nicht zu den größten Herstellern gehört, dann kommt er in den Supermarkt einfach nicht rein. Schlicht und ergreifend. Der Supermarkt hat die Regale gefüllt, etwas Neues, etwas Besseres oder etwas Regionales wird
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