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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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guten, schönen alten Zeiten sind eben vorbei. Ja, so könnten Sie argumentieren, aber trotzdem hätten Sie nicht Recht. Denn es funktioniert.
    Ich erinnere mich an eine eindrückliche Geschichte aus meiner Zeit bei Manufactum, die illustriert, wie gute Entscheidungen getroffen werden. Das war so: Einer unserer Einkäufer machte einfach seinen Job, und das bedeutet, wenn er das kleine Einmaleins des Einkäufers beachtet: Er muss Lieferanten konzentrieren. Also für möglichst viele Produkte möglichst wenige Lieferanten finden, das minimiert den Aufwand und führt zu besseren Konditionen, weil pro Lieferant größere Mengen bestellt werden können. Ganz einfach. Diese ökonomischen Grundprinzipien gelten auch für Manufactum, denn das Unternehmen ist schließlich keine Non-Profit-Organisation, die am Spendentropf des schlechten Gewissens hängt, sondern ein stolzes Unternehmen, das die Gehälter seiner Mitarbeiter am Markt erwirtschaftet.
    Auf der Suche nach Lieferanten, die er auslisten konnte, um die Lieferantenstruktur zu verbessern, stieß er auf eine kleine Strumpffabrik aus Sachsen. Er hatte noch einen weiteren Sockenlieferanten im Sortiment, der auch in Europa fertigte und im Einkaufspreis nicht einmal teurer war. In der Retourenquote war die sächsische Strumpffabrik sogar schlechter, das heißt, mehr Kunden sendeten die bestellten Socken wieder zurück, zum Beispiel weil sie mit der Passform nicht zufrieden waren. Das ergab also eine einfache Rechnung: Es gab zwei Lieferanten, einer genügte aber. Bei Qualität und Preis war einer besser. Der andere musste ausgelistet werden. Logisch.
    Falsch.
    Der ausgelistete Strumpffabrikant aus Sachsen schrieb einen Brief an Thomas Hoof persönlich. Auf nicht mehr als einer dreiviertel Seite Schreibmaschine erläuterte er, warum er die Entscheidung des Einkäufers nicht nachvollziehen könne. An der Qualität gebe es nichts zu deuteln, das belegte er in einem einzigen Satz und mit drei, vier Fachbegriffen. Und wer, wenn nicht Manufactum, sollte so ein Produkt im Sortiment führen und erfolgreich vertreiben können? Ob Manufactum etwa genauso kurzsichtig denke wie andere größere Handelsunternehmen?
    Ein kleiner Hinweis in der Produktbeschreibung hätte seiner Meinung nach genügt: »Die Socken fallen groß aus, bestellen Sie im Zweifelsfall eine Nummer kleiner als gewöhnlich.« Dann hätte es nicht mehr, sondern vermutlich weniger Retouren gegeben als bei den anderen Lieferanten. Auch der leicht höhere Preis hätte den Kunden kommuniziert werden können, wenn die herausragende Qualität in der Produktbeschreibung sachkundiger und verständlicher begründet worden wäre.
    Des Weiteren schilderte der Unternehmer, was die Auslistung bei Manufactum für ihn bedeutete. Sein Betrieb fertigt mit Stolz und Durchhaltevermögen seit hundert Jahren Strümpfe. Die Wurzeln der regionalen Strumpfindustrie am Standort reichen bis in das Jahr 1700 zurück, als dort erstmals ein englischer Handwirkstuhl angeschafft und damit eine reiche Tradition begründet wurde. Nach der Zwangsverstaatlichung durch die DDR-Behörden Anfang der 70er Jahre und der Zusammenlegung mit anderen Fabriken zum Strumpfkombinat folgte ein Niedergang der Produktion und der ursprünglichen Gründungsidee. Nach der Wende 1989 nahm der Enkel des Gründers die Geschicke des Unternehmens in die Hand und reprivatisierte den Betrieb. Bis heute baute er mit viel Geduld, Sachverstand, mit erheblichen Investitionen, mit sinnvollen Produktinnovationen und mit Herz für den Kern der Unternehmensidee eine hochwertige Produktion auf. Die Auslistung bei Manufactum bedeutete für den Unternehmer einen herben Umsatzeinbruch. Er schilderte offen und ehrlich, dass er im Moment nicht wisse, wie sein Unternehmen das wirtschaftlich überleben solle. Die Entscheidung treffe ihn hart.
    Ich saß daneben, als Hoof den Brief las. Er las, hob eine Augenbraue, legte den Brief auf den Tisch und überlegte ungefähr fünf Sekunden. Dann schwoll ihm der Kamm. Er begann zu fluchen und zu schimpfen: Wie kann man so einen Mist machen! Noch dazu, wenn man seit Jahren hier arbeitet! Ist der bescheuert? – So etwa in dieser Art.
    Der Einkäufer musste antreten. Der Brief lag auf dem Tisch: Was haben Sie dazu zu sagen? Der Einkäufer trug ungehalten seine Argumente vor, die auf den ersten Blick ja auch vollkommen logisch waren. Hoof sagte sinngemäß: Es ist mir ein Rätsel, wie man eine dermaßen falsche Entscheidung treffen kann! Durch welche

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