Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Luke sind Sie denn auf diesen falschen Dampfer geklettert? Die Socken werden wieder ins Sortiment genommen!
Und so wurde es gemacht. Die Socken kamen wieder in den Katalog, die Produktbeschreibung wurde verbessert, und der Verkauf brummte. Es funktioniert!
Dass der Einkäufer über diese Einmischung in seinen ureigensten Arbeitsbereich nicht glücklich war, versteht sich von selbst. Aber zwischen der Denke des Einkäufers und der Denke von Thomas Hoof lässt sich sehr gut der Unterschied ausmachen, zwischen einer destruktiven, nach kurzfristiger Rendite strebenden und einer konstruktiven, auf Nachhaltigkeit setzenden Kaufentscheidung.
Den wahren Wert eines Produkts kann ein Einkäufer oder Produktmanager nicht anhand von Kennzahlen ermitteln, die er aus dem Controlling vorgelegt bekommt. Wer je mit Zahlen gearbeitet hat und die Kennzahlen eines Unternehmens interpretieren kann, der weiß, dass die Arbeit mit Kennzahlen wichtig ist und sogar Spaß macht. Auch bei Manufactum übrigens. Der Punkt ist: Kennzahlen können zum Beispiel den betriebswirtschaftlichen Wert eines Produkts oder einer Entscheidung darstellen, aber nicht den tatsächlichen Wert – eben genau so, wie Laborwerte und Geschmackstests keine vollständige Aussage über die tatsächliche Qualität eines Olivenöls machen, weil sie die Bedingungen der Herstellung nicht messen.
Wer beim Wirtschaften nur auf kurzfristige Rendite aus ist, dem genügen die Zahlen als Entscheidungskriterium. Wer nachhaltig wirtschaften will, verzichtet keineswegs auf die Zahlen, versteht aber diese Zahlen als reine Basisinformation. Sie sind nur ein Bewertungskriterium unter anderen, kein alleiniges Entscheidungskriterium. Gut bekleidete Zahlen sind intelligent, nackte Zahlen sind dumm. Stimmt eine Zahl nicht, ist das ein erster Hinweis. Die eigentliche Analyse geht dann aber erst los. Dazu braucht es Kompetenz. Nicht Controlling.
Wenn eine Kennzahl abweicht, muss der Produktmanager dem Problem auf den Grund gehen. Die entscheidende Frage ist nicht: Ist die Retourenquote zu hoch? Ja oder nein? Sondern: Warum ist die Retourenquote so, wie sie ist? Im Falle des Sockenherstellers hätte der Produktmanager leicht herausfinden können, dass es sich um ganz besondere Socken handelt, die im Katalog auch ganz besonders beschrieben werden müssten. Der Grund für die schlechte Kennzahl lag also nicht am Produkt, sondern an der ungenügenden Handhabung des Produkts im Verkauf. Dass der Lieferant aus dem Rahmen fiel, erwies sich letztlich als willkommener Anlass, um aus dem scheinbaren Problem eine Tugend zu machen und die Besonderheiten des Produkts zu unterstreichen. Insofern hat der Sockenfabrikant mit seinem Brief einen tollen Job gemacht. Regionalität funktioniert. Vorausgesetzt, man kann sie kommunizieren.
Der »Produktaufhänger Herkunft«
Hoof verlangte von seinen Einkäufern stets das Denken in sogenannten »Produktaufhängern«: Was ist der Grund, was ist die Existenzberechtigung für dieses Produkt im Katalog? Vereinfacht gesagt kann ein Verkäufer sein Produkt nur über wenige Faktoren kommunizieren: über das Material bzw. die Qualität, über den Nutzen, über die Geschichte bzw. den Lieferanten, über das Preis-Leistungs-Verhältnis oder eben über die Herkunft.
Hält ein Einkäufer in einem Handelsunternehmen ein Warenmuster in der Hand und findet es toll, dann muss er beschreiben können, was genau daran toll ist. Das Unternehmen kann durchaus kommunizieren, dass der Preis für dieses oder jenes Produkt herausragend günstig ist. Preis ist immer ein gutes Argument, wie wir wissen. Aber völlig vergessen wird von vielen Unternehmen viel zu oft, die Geschichte und die Herkunft eines Produkts zu kommunizieren: Dies sind die letzten Äpfel dieser Sorte aus dieser Region. Vor hundert Jahren war es die häufigste Sorte, heute ist sie fast vergessen.
Das
ist die entscheidende Information!
Jede Region hat ihre Identität und ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten. Pforzheim: Uhren und Schmuck. Mosel: Wein. Solingen: Messer. Sauerland: Schmiedewaren. Reichenau: Gemüse. All das ist Stoff für das Marketing, denn die Herkunft ist immer reich an Geschichten. Und Herkunft geht ans Herz. Authentisch zu kommunizieren und auf den Produktaufhänger Herkunft zu setzen, braucht Wissen, Können und Mut. Das schafft zum Beispiel die italienische Ölmühle, die ihr Olivenöl verkauft, indem sie über die Herkunft des Produkts ganze Bilderwelten im Kopf des Konsumenten entstehen
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