Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Waldarbeiter bringt es schon auf 280 Gramm, ein Pferd aber auf 1,25 Kilogramm!
Schäden am Bestand, Schäden am Boden, aber das ist noch nicht alles: Wer professionell Holz mit der Motorsäge erntet, ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit im Alter von 55 Jahren kaputt. Diese Arbeiter haben zu einem großen Prozentsatz Rückenleiden, viele von ihnen leiden an der sogenannten Weißfingerkrankheit Morbus Raynaud, das sind Durchblutungsstörungen der Hände, die bei Forstarbeitern durch die Vibrationen der Motorsäge ausgelöst werden können. Das Unfallrisiko bis hin zu Todesfällen ist bei der motormanuellen Waldarbeit besonders hoch. Vor allem das Entasten ist eine unglaublich anstrengende schwere körperliche Arbeit, die heute niemand mehr machen müssen sollte. Holzernte von Hand verbraucht Menschen. Wer die Holzernte mit den über tausend Vollerntern, die in Deutschland in Betrieb sind, verdammt, weil er Maschinen nicht mag, muss gleichzeitig zugeben, dass er diesem sozialen Aspekt der Gesundheit der Forstarbeiter keine Priorität gibt. Nein zu sagen zur Maschine heißt in diesem Fall auch Ja zu sagen zu gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen.
Und natürlich: Die Holzernte mit dem Harvester geht um ein Vielfaches schneller, es sind also wesentlich weniger Mannstunden pro Festmeter Holz nötig – das ist der Kostenaspekt. Dies ist also ein Beispiel, wo Technik nicht nur die Herstellungskosten drückt, sondern – richtig eingesetzt – auch die ökologischere und sozialere Produktionsweise ermöglicht.
Also: Wenn Sie ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte zusammenzählen, können Sie die meisten Holzarten heute aus ökologischer und aus ethischer Perspektive betrachtet nicht besser ernten als mit einem Harvester – auch wenn das wenig romantisch ist und die Maschine so »böse« aussieht.
Wer zu einem anderen Urteil kommt, bewertet ideologische Argumente höher als rationale Argumente. Wenn aber die Ideologie »Maschinen sind böse« versus »Handarbeit und Nutztierarbeit sind gut« keine brauchbare Hilfe liefert, um Entscheidungen zu treffen, und wenn das, was sich für uns gut anfühlt, doch manchmal die deutlich schlechtere Alternative ist, dann bleibt die Frage, wie wir dann stattdessen zu richtigen Entscheidungen kommen können. Ist die Bio-Karotte aus Israel für das Töchterchen nun besser als die konventionelle Karotte aus Deutschland?
Die Entscheidung nach Faktenlage, so wie im Falle des aufgeklärten Marketingleiters, ist in den meisten Fällen nicht praktikabel und viel zu zeitaufwändig. Die Entscheidung nach dem Preis oder nach dem Bio-Label oder nach der Qualitätsmarke ist meistens rein emotional gesteuert und gewichtet willkürlich einzelne Aspekte hoch, andere niedrig.
Also: wie entscheiden?
Die kleine, stolze Strumpffabrik
Wir Konsumenten im Supermarkt oder im Fachgeschäft wissen also genauso wenig, nach welchen Kriterien wir entscheiden sollen, wie der Einkäufer in der Industrie. Wir alle wollen aber gute Entscheidungen treffen.
Was wir jedoch wissen können, wenn wir wollen, ist, dass mit globalisierten Wertschöpfungsketten in Billiglohnländern hergestellte Lebensmittel und Gebrauchswaren mit jeder Menge Nachteile behaftet sind. Erstens ökologisch: also die Themen Transport und Logistik, CO 2 , Öl, Umweltschutzstandards. Zweitens ethisch: also die Themen Arbeitsbedingungen, gerechte Löhne, Verteilungsgerechtigkeit, Gesundheit, Abhängigkeit, Kulturverlust. Drittens ökonomisch: also die Themen Langlebigkeit, Investitionssicherheit und Werterhaltung.
Oder mit einem Wort: Was nicht stimmt an der globalisierten Fertigung, ist die Nachhaltigkeit.
Angesichts dieser Erkenntnis ist es eine ziemlich intelligente und lohnende Strategie für alle Käufer, alle in weiter Entfernung hergestellten Billigprodukte zu vermeiden und stattdessen einfach immer auf die regionalen und werthaltigen Alternativen zu setzen. Regionalität ist ein ganz einfaches Prinzip, das viel besser funktioniert und wirklich zu guten Entscheidungen verhilft, viel besser als der Preis oder das Bio-Label oder eine internationale Lifestyle-Marke. Das heißt also im Klartext: Nimm nie die billigste Option und nimm von allen, die übrig bleiben, immer die Option, deren Produktionsort so nah wie möglich ist!
Ach, das funktioniert doch nicht, könnten Sie sagen. Schön wäre es, aber in Wahrheit müssen sich Produkte heute doch im internationalen Wettbewerb messen, und das ist ein Preiswettbewerb. Die
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