Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
– wenn es überhaupt noch einen gibt – oder doch die im Schuhladen in 1a-Lage in der Fußgängerzone? Was ist die richtige Entscheidung? Kaufe ich den Toyota mit dem Hybrid-Motor oder den Golf mit blue-motion-optimierten Verbrauchswerten? Kaufe ich die Fischstäbchen mit Kapitänsmütze und weißem Seemannsbart auf der Verpackung oder die »billigen« aus dem Discounter?
Wir wollen es ja richtig machen! Bei allem Preisbewusstsein, für das wir Deutschen berühmt und berüchtigt sind, wollen wir doch keine Umweltverschmutzung, keine Kinderarbeit, keine Diktaturen, keine Minderqualität und keine Abzocker unterstützen. Aber selbst wenn uns die ethischen, ökologischen und finanziellen Kriterien völlig klar sind, können wir deshalb noch lange nicht ohne weiteres eine rationale Entscheidung treffen, die unseren persönlichen Überzeugungen und Zielen gerecht wird. Denn wie soll ich der Karotte ansehen, wie die Ökobilanz aussieht, ob sie giftfrei und vitaminreich ist, ob sie unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurde, ob sie überteuert ist oder künstlich verbilligt wurde?
Ob ein Produkt besser oder schlechter ist – um diese Entscheidung beim Kauf einigermaßen sicher treffen zu können, braucht es im Grunde ein tiefes Wissen über die Zusammenhänge von Wirtschaftskreisläufen, von Chemie, von Ökologie, von Herstellungsbedingungen, von politischen Zusammenhängen, von Kalkulationen. Ist also mehr Bildung und Wissen, mehr Aufklärung der Verbraucher die Lösung? Nein, das wäre völlig unrealistisch. Selbst wenn Sie hochsensibel für politische, ökologische und ethische Themen sind: Sie können nicht wissen, was wirklich auf hoher See beim Dorschfang passiert, Sie können unmöglich einschätzen, wie viel Energie für die Produktion und den Transport einer israelischen Karotte im Vergleich zu einer deutschen verbraucht wird, Sie können definitiv nicht bewerten, welchen Unterschied es macht, wenn Sie Ihr Geld bei der Commerzbank statt bei der Sparkasse anlegen. Ja, Sie können nicht einmal einschätzen, welcher Schuh der billigere ist, wenn Sie jeweils das Preisschild vor der Nase haben. Sind 400 Euro für den feinen rahmengenähten Schuh teurer als 150 Euro für den geklebten? Im Moment des Kaufs schon, aber wie sieht es im Rückblick nach zehn Jahren aus? Tragen Sie den 400-Euro-Schuh noch und haben Sie den 150-Euro-Schuh bereits zweimal ersetzt? Dann war der teure doch der billigere Schuh. Denn beim Preis müssen Sie die Nutzungsdauer mit einkalkulieren, wenn Sie ehrlich zu sich selbst und zu Ihrem Geldbeutel sein wollen. Kurz: Meistens ist es nicht so, wie es scheint.
Wie aber soll man als Verbraucher dann jemals im Alltag zu vernünftigen Entscheidungen kommen? Die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach einer guten Kaufentscheidung und der Fähigkeit zu einer guten Kaufentscheidung wird immer größer. Was also ist die Lösung? Noch mehr Standards? Noch mehr Verbraucherschutz? Noch mehr Produktkennzeichnung? Liest die jemand …?
Vor diesem Problem der richtigen Entscheidung stehen nicht nur Verbraucher, sondern auch Einkäufer in den Unternehmen. Nach welchen Kriterien sollen die Lieferanten ausgewählt werden?
Nehmen wir Holz
Ich stelle mir vor, der Marketingleiter eines größeren Bauunternehmens will dessen Ausrichtung mehr in Richtung Ökologie und Nachhaltigkeit trimmen. Das Unternehmen fokussiert sich seit einigen Jahren immer mehr auf die zahlungskräftige und gleichzeitig immer umweltbewusstere, gut gebildete, aber durchaus bürgerlich-konservative obere Mitte der Gesellschaft, die man im Fachjargon LOHAS (»Lifestyle of Health and Sustainability«) nennt und deren Größe man auf 20 bis 30 Prozent der deutschen Bevölkerung taxiert – Tendenz: steigend –, und auf deren Bedarf nach freistehenden Einfamilienhäusern. Das sind vielfach die jungen Familien mit einem oder zwei Kindern, deren Familienvater als Versorger einen guten Job als Führungskraft in einem Konzern hat und dessen Ehefrau nebenher noch halbtags arbeiten geht. Die Ernährung soll gesund sein, vor der Tür soll ein vernünftiger verbrauchsarmer Mittelklassewagen stehen und die Heizung soll bitte möglichst mit regenerativen Energien funktionieren.
Um diese Kundschaft zu halten und auszubauen, will der Marketingleiter strenge Richtlinien beim Einkauf der Rohstoffe durchsetzen, die beim Bau verwendet werden. Insbesondere das Holz muss ökologisch korrekt produziert werden, sonst fällt womöglich die komplette
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