Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
ausgerechnet der falschen Stelle der Welt aufgetreten ist, eine solche Gesellschaft vermittelt ihren Bürgern keine Sicherheit.
Ich jedenfalls will, dass meine Region noch gebraucht wird. Ich habe das Bedürfnis zu wissen, dass es in einem Umkreis von zehn Kilometern um meine Wohnung herum auch dann noch etwas zum Essen und zum Anziehen zu kaufen gibt, wenn die Finanzmärkte kollabiert sind und keine Autos mehr fahren.
Es ist weiter nichts einzuwenden gegen die Dattel aus Israel, die Mango aus Südamerika oder Erdnüsse aus dem Senegal. Diese Spezialitäten machen den Bock nicht fett. Wir sollten die Vorzüge der Globalisierung ruhig mit Verstand und Augenmaß genießen. Am besten, indem wir einen realistischen Preis dafür bezahlen.
Aber: Regionalität ist auf Dauer das überlegene Konzept. Denn Regionalität beinhaltet eben viel mehr als nur den Vorteil des kurzen Transportes: Nähe hat natürlich etwas mit Energiesparen zu tun, Nähe hat natürlich etwas mit Arbeitsplätzen zu tun, aber Nähe hat eben auch – und das ist ganz wichtig – etwas mit »wissen können« zu tun. Was nah ist, das kann ich auf seine Echtheit überprüfen, mit eigenen Augen ansehen, einschätzen. Das weiß jeder Produzent auch. Deshalb ist für mich klar: Je näher ein Hersteller mir ist, umso weniger wird er mir Märchen erzählen können, weil das zu riskant für ihn wäre.
Die deutschen Karotten aus konventionellem Anbau sind im Vergleich mit den Bio-Karotten aus Israel eindeutig die um Längen bessere Option.
»Es kalkuliert sich eben sehr
viel kraftvoller und ungenierter,
wenn man fernöstliche Einkaufspreise
vor sich hat.«
Manufactum Hausnachrichten Herbst 2005
Kapitel 3
Wozu anständig? – Der Marmeladen-Esel in Korsika
Warum glückliche Lieferanten besser sind als gesättigte Investoren
»Mein Mann und ich haben nochmal von vorne angefangen. Wir leben auf Korsika, draußen in den Bergen. Da gibt es nicht viel, aber wir können eine Sache besser als jeder andere: Wir nehmen die wunderbar aromatischen Zitrusfrüchte, die hier wachsen – Zitronen, Orangen, Klementinen und Pampelmusen –, und kochen daraus feine, süße und bittersüße Marmeladen. Weil die Früchte hier von besonderer Qualität sind und weil wir beim Marmeladekochen einfach den Bogen raus haben, glauben wir, dass unsere Marmelade unschlagbar ist. Das jedenfalls haben uns alle, die sie probiert haben, bestätigt.
Darauf sind wir stolz. Und darauf haben wir unser Geschäft aufgebaut: Mein Mann pflegt die Gärten, spricht mit den Obstbauern und erntet die Früchte, ich schmeiße die Marmeladeküche.
Wir waren uns immer sicher, dass es für unsere Marmeladen einen Markt gibt, aber der Vertrieb ist nicht einfach. Zu Beginn hat es mit dem Geld hinten und vorne geklemmt: Wir mussten erstmal die Küche und die Lagerräume einrichten, Werkzeuge und Geräte kaufen, Erntehelfer bezahlen, Gläser einkaufen und so weiter. Es war knapp, aber es ging. Es musste ja auch gehen, denn unsere wirtschaftliche Existenz hing daran.
Ernten und Kochen genügt nicht, verkaufen müssen wir auch noch, und das kostet viel Zeit und Geld, denn zu uns auf den Hof kommen nur wenige Leute. Darum besuchen wir regelmäßig regionale Messen in Italien und Frankreich, wo die Einkäufer von kleinen Feinkostgeschäften den Markt sichten. Wir lassen sie probieren, zeigen ihnen, wie wir arbeiten, und handeln die Lieferungen mit ihnen aus. Auf diesen Messen sind zuweilen richtige Profis unterwegs, die in größerem Stil einkaufen. Das sind Fachleute, die sich gut auskennen, und wenn die unsere Marmeladen loben und für ihre Delikatessengeschäfte einkaufen, sind wir besonders stolz.
›Ihr seid die Besten!‹, hören wir dann oft. Und der Einkaufspreis spielt dann gar keine so große Rolle mehr. Trotzdem sind wir beim Preis nicht abgehoben. Manche sagen uns, wir seien zu billig. Na, jedenfalls: Es funktioniert. Die Rechnung geht auf.
Dann kam eines Tages diese Deutsche zu uns auf den Messestand. Sie kam von Manufactum. Wir hatten schon von diesem Versender gehört, Freunde von uns hatten den Katalog. Manufactum wollte eine kleinere Lieferung mit uns ausprobieren. Wir wurden uns schnell einig und gaben uns darauf die Hand. Wir lieferten, Manufactum bezahlte, alles war bestens.
Kurz darauf bekamen wir einen Anruf: Manufactum war begeistert von unserer Marmelade und wollte uns in den Hauptkatalog aufnehmen. Mein Mann und ich sahen uns an. Wir wussten, was das bedeutete: Wir hatten bisher
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