Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
Fruchtbarkeit
wieder herauskommt.«
Manufactum Hausnachrichten Sommer 2005
Kapitel 5
Wozu mutig? – Männer, die auf Kurven starren
Warum unternehmerische Tatkraft besser ist als Marktforschung
Burchardt: »Ich würde gerne einen ersten Manufactum-Laden eröffnen. In München.«
Hoof: »Warum?«
Burchardt: »München braucht das.«
Hoof: »Was wollen Sie da verkaufen?«
Burchardt: (skizziert kurz)
Hoof: »Was kostet mich das im schlimmsten Fall?«
Burchardt: »1,7 Millionen.«
Hoof: »In Ordnung. Machen Sie. Und halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Markt ohne Forschung
Um die Manufactum-Ladengeschäfte zu starten, war keine Marktforschung nötig, keine Expertenanalysen, keine Meetings und keine Konferenzen. Einfach nur: »In Ordnung. Machen Sie.« Heute steuern die Manufactum-Warenhäuser mit acht Standorten in Deutschland wohl bald die Hälfte zum Umsatz von Manufactum bei.
So schnell die unternehmerische Entscheidung fiel, so tiefgreifend waren die Auswirkungen für das Unternehmen. Denn Manufactum betrat damit absolutes Neuland. So ein Versandhandel ist ein gut kontrollierbares Geschäft. Das Management kann jederzeit anhand der aktuellen Zahlen die Auswirkungen von Maßnahmen messen, die Reaktion auf jedes geschäftliche Zucken kommt sofort. Das Geschäft lässt sich steuern wie ein Düsenjäger vom Cockpit aus. Ein stationäres Geschäft dagegen ist ein vergleichsweise schwer kontrollierbares Geschäft. Da kommen anonyme Menschen rein und gehen wieder … ein Kulturschock für Versender! Denn die sind es gewohnt, von jedem Kunden automatisch einen kompletten Stammdatensatz zu haben. Ein Ladengeschäft zu betreiben fühlt sich demgegenüber an wie ein Blindflug im Nebel bei ausgefallenen Instrumenten. Plötzlich weiß niemand mehr, wer kauft und warum. Hat der Kunde den Katalog? Ist er in unserer Datenbank? Ist es ein Stammkunde? Ein Neukunde? Ein Online-Kunde? Was hat er bereits gekauft? Du gibst jedes Wissen über deinen Kunden auf. Der totale Kontrollverlust.
Und die ganze Sache wird deutlich komplexer. Als Versender hat man den Katalog und eine Website als Absatzwege, aber sobald Ladengeschäfte dazukommen, wird daraus ein Multi-Channel-System mit vielfältigen Wechselbeziehungen und enorm vielen Variablen. Wie wirkt sich die Weiterentwicklung des Katalogs auf die Ladengeschäfte aus? Und umgekehrt: Wie viele neue Katalogkunden werden durch das Ladengeschäft angezogen? Wie viel Umsatz wandert vom Versandgeschäft ins Ladengeschäft? Wie viel vom Umsatz ist umgeschichteter Umsatz und wie viel ist zusätzlicher Umsatz? Und wie wirkt der Online-Shop auf das ganze Zusammenspiel ein?
Auch die Kultur wird eine andere. Als reiner Versender hat man alle Mitarbeiter unter einem Dach. Aber plötzlich gibt es auch eine Truppe in München, eine in Stuttgart, eine in Hamburg, eine in Berlin. Die Leute kennen sich kaum untereinander. Sie haben alle ihre eigenen Kundenbeziehungen, sie bilden als Team eine ganz eigene Mischung, die sich unterscheidet von denen der anderen Standorte und vom Versender-Team. Wie schafft man es, diesem bunten Haufen eine gemeinsame Identität zu geben? Wie geht man mit divergierenden Meinungen, Tendenzen und Reaktionen an den verschiedenen Standorten um?
Plötzlich wird alles für den Kunden viel sichtbarer: Das Unternehmen bekommt ein Gesicht, eine Adresse, eine Fassade, Schaufenster, einen Bodenbelag, eine Kasse, Beleuchtung, echte Menschen, die man persönlich treffen kann. Die Kommunikation, die sich bis dahin auf den Katalog und die Website beschränkt hatte, bekommt auf einen Schlag zig neue Kommunikationsebenen dazu.
Und es erfordert neue Entscheidungen: Wie soll ein Manufactum-Geschäft denn überhaupt aussehen? Welche Mitarbeiter brauchen wir und wie finden wir die? Was für Kleidung sollen die Mitarbeiter tragen? Wie viel wird uns gestohlen werden, und bauen wir einen Diebstahlschutz an die Tür – oder denken dann unsere Kunden, wir stellen sie unter Generalverdacht? Wie gehen wir mit den Schaufenstern um?
Kurz: Der kleine Dialog zwischen Thomas Hoof und mir zog riesige Auswirkungen nach sich. Es war, als müssten wir unser komplettes Geschäftsmodell in eine fremde Sprache übersetzen. Alles wurde schwieriger. Schon die Wahl der Ladenadresse des ersten Geschäfts war eine enorm wichtige und darum schwierige Entscheidung: Sie würde festlegen, in welcher Schublade wir künftig steckten.
In München verläuft einer der Hauptströme zahlungskräftiger
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