Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)
weil einer alten Marketingregel zufolge über 70 Prozent aller neu eingeführten Produkte floppen. Da will man natürlich sichergehen: Cover your Ass! Denn 90 Prozent der Marketingleute glauben heute, es gäbe keine Mängel mehr. Jedenfalls behaupten sie das so. Schaut nach Haßloch! Alles ist schon da. Sie erzählen Ihnen von den gesättigten Märkten und dem Verdrängungswettbewerb, der automatisch Preis- und Anpassungsdruck erzeugt.
Ich glaube diese Geschichten nicht. Ja, die Märkte sind da gesättigt, wo man versucht, auch noch die 103. Sorte eines völlig austauschbaren Produkts ins Regal zu stopfen. Der Ursprung eines jeden Erfolges ist aber nicht Haßloch, sondern ein
Mangel
, der beseitigt werden soll. Und es gibt unendlich viele Mängel. Auch und gerade heute. Es gibt auch viele neue Mängel, vor allem einen riesengroßen Mangel an Qualitätsprodukten. Und ein Mangel ist immer eine Chance für Unternehmer!
Also, liebe Unternehmer: Es gibt einen Mangel an guten Schuhen, an schönen Hemden, an hochwertigen T-Shirts. Handwerklich gut gemachte Bekleidung von langlebiger Qualität und in entsprechend gutem Design ist definitiv Mangelware.
Butter: Mangelware. Natürlich: Es gibt zwölf Sorten sterilisierte Butter im Supermarkt, aber keine einzige handgefertigte Butter, keine Butter, die nach Butter schmeckt. Der Mangel ist so groß, dass wir heute nicht einmal mehr wissen, wie richtige Butter schmeckt.
Bier: Mangelware. Es gibt wahrscheinlich tausend Sorten Pils in Deutschland, die selbst eingefleischte Fachleute kaum voneinander unterscheiden können. Aber sehen Sie sich bitte einmal an, was es zum Beispiel in den USA inzwischen an großartigen Bieren gibt! Reine Handwerksprodukte, die es in ihrer Aromenvielfalt mit jedem Wein aufnehmen und die man in jeder deutschen Brauerei streng nach dem deutschen Reinheitsgebot herstellen könnte.
Konserven: Es gibt nur Bonduelle, Hengstenberg & Co., also industrielle Einheitsprodukte, aber kaum irgendwo finden Sie regional hergestellte Einmach- und Einweckware, nach landesüblichen Rezepten und mit vor Ort produzierten Zutaten. Mangelware!
Backwaren: Sie können überall Brot und Brötchen kaufen, in ganz Deutschland die gleichen Sorten: Bauernbrot, Joggingbrot, Körnerbrot, Roggenmischbrot, Dreikornbrot, Glücklichbrot und wie sie alle heißen. Dabei war Deutschland einmal das Land der Welt, in dem die meisten unterschiedlichen Brotsorten gebacken wurden. Nur wird heute eben fast nirgends mehr richtig Brot gebacken, denn dazu müsste man aufwändig einen Teig herstellen. Und was das kostet! In Deutschland werden fast nur noch Fertigmischungen und Teiglinge verwendet. Richtiges Brot, das handwerklich hergestellt wird, ist … Mangelware.
Möbel: In jeder Stadt gibt es die Preislage Student, dann die Gelsenkirchener Barockecke im Möbelhaus und außerdem die superteuren Designermöbel. Aber wo gibt es Möbel, die designmäßig mit Ikea und qualitativ mit dem Schreiner mithalten können? Ich wollte einmal für mein Büro ein schlichtes Massivholzregal haben, das so aussieht wie ein Billy-Regal von Ikea. Das war eine Sonderanfertigung beim Schreiner und hat mich 1000 Euro gekostet! Ein Billy kostet 69 Euro. Wo ist die gute Mitte? Wo gibt es ein ordentliches, wertvolles, preiswertes Regal für 300 oder 400 Euro, das ein Leben lang hält? Da können Sie lange suchen. Mangelware!
Reisen: Pauschalreisen nach Palma, Antalya und Phuket gibt es wie Sand am Meer. Aber zeitgemäße, originelle, nahräumliche Urlaubskonzepte sind … Mangelware.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. In jedem Teilmarkt regiert der Mainstream. An der preislichen Obergrenze gedeiht das Luxus- und Premiumsegment prächtig: Ferrari, Elbchaussee, Manolo Blahnik, Jaeger-LeCoultre, Chopard, Dom Pérignon, Brenner’s Park-Hotel Baden-Baden, Gaultier – die Margen sind so traumhaft wie die Kundschaft elitär. Und an der preislichen Unterkante grasen die Discounter die Weide ab bis auf die Wurzeln und generieren Rendite durch unglaubliche Absatzmengen. An beiden Polen des Marktes gibt es glasklare, funktionierende Geschäftsmodelle. Dort gibt es Unternehmen, die ihr Geschäft beherrschen und genau wissen, was sie tun, egal wie man das im Einzelnen moralisch bewertet.
Aber in der Mitte, im Massenmarkt, in den preislichen Mittellagen, dort, wo das Publikum am größten ist, da herrscht in unseren Breiten Tristesse. In den mittleren Preissegmenten gibt es kaum mehr Qualitätsprodukte, sondern nur noch
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