Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
hatten das ganz normale Standardprogramm gebucht. Am Buffet gab es neben kleinen Wiener Schnitzeln und winzigen Fleischlaibchen vier oder fünf Aufläufe in großen Pfannen, dazu Bratkartoffeln, vielleicht auch Reis. Warm gehalten wurde alles von Spiritusflammen. Allein bei diesem Geruch verging mir der Appetit blitzartig. Vielleicht würde ich ein paar kalte Kleinigkeiten probieren. Aber jetzt war mir der Ansturm beim Buffet zu groß.
Ich winkte einer Freundin, die für eine TV-Klatschsendung arbeitete. Sie winkte zurück und zeigte auf ihren Kameramann. Arbeit, ja, auch für mich. Vielleicht konnten wir später gemeinsam etwas trinken. Ich hob mein Glas und deutete darauf. Sie nickte zustimmend. Gut, wir hatten uns verstanden. Vielleicht konnte mir Katie volkstümlichen Tratsch erzählen. Darauf hätte ich früher kommen können. Wenn sich jemand da auskannte, dann sie.
Der Regieassistent schwirrte mit drei Weinkrügen vorbei. Als er mich erkannte, zuckte er leicht zusammen. Ich lächelte ihm freundlich zu.
Viele der Anwesenden kamen mir bekannt vor. Mein Namensgedächtnis ist eine Katastrophe, aber Gesichter prägen sich mir ein. Und Wien ist ein Dorf, was die Gäste solcher Events angeht. Der Wurstfabrikant war da, er war immer mit dabei. Seine junge Frau trug ein knallgrünes, knallenges Trachtenkostüm. Ihre Lippen leuchteten knallrot. Ein wahres Knallbonbon. Der Chef der Volkspartei war gekommen – Volksmusik und Volkspartei. Ich sollte mit einigen der Volksmusikstars plaudern. Lust hatte ich keine dazu, also blieb ich zunächst abseits bei einem Oleander stehen und redete mir ein, dass Beobachten ohnehin wichtiger sei. Wäre es der Sommerheurige der Tischlerinnung, der Versicherungsvertreter oder der Wiener Rechtsanwälte gewesen, das Ganze hätte nicht anders ausgesehen.
Ich nahm mir noch einen Gespritzten.
„Ganz schöner Almauftrieb, was?“
Irritiert drehte ich meinen Kopf nach rechts. Der Mann war groß, schlank, Mitte vierzig. Er hatte kurze blonde Haare und trug Jeans und ein weißes Hemd, wenigstens keine Tracht. Er hob sein Glas.
„Das kann man wohl sagen!“
Er trank einen Schluck und verzog etwas den Mund. „Schon was Besseres getrunken.“
„Die Touristen merken’s eh nicht und die Volkstümler offenbar auch nicht.“
„Das klingt nicht gerade so, als ob Sie ein Fan von Volksmusik wären.“
„Ich kümmere mich nur beruflich um die Partie. Vorübergehend.“
„Ich weiß.“
Wo hatte ich ihn schon gesehen? Vorsicht, vielleicht war er einer der Volksmusikheinis, auch wenn er nicht so wirkte. „Und Sie? Sind Sie ein Fan von Volksmusik?“
„Sehe ich so aus?“
„Vielleicht haben Sie es auf die Frohsinn-Mädel abgesehen.“
„Auf alle fünf?“
Ich lachte. Es war angenehm, nicht mehr alleine herumzustehen.
„Eigentlich habe ich ziemlichen Hunger.“
„Alles werden die Heuschrecken ja noch nicht aufgefressen haben.“
„Kommen Sie mit?“
Ich schüttelte den Kopf. „Danke! Ich hasse Spiritusgeruch. Ich werde mich daheim mit einem späten Abendessen belohnen oder mir irgendwo in der Stadt Sushi besorgen.“
„Sushi? Eine hervorragende Idee. Gehen Sie mit mir Sushi essen! Genau das richtige Kontrastprogramm. Oder glauben Sie, dass Sie da heute noch etwas Wichtiges erfahren? Es sei denn, Sie schreiben mit, wer wieviel trinkt. Für die nächste Titelgeschichte.“
„Alkohol ist nicht so gut wie verbotene Drogen. Alkohol ist etwas für die ordentlichen und anständigen Österreicher. Das ist eine volkstümliche Sache.“
„Kommen Sie!“
Eigentlich hatte er Recht. Was würde sich heute noch tun? Und reden konnte ich mit den Stars der Volksmusik auch in den nächsten Tagen im Fernsehzentrum. Da hatten sie ohnehin jede Menge Zeit. Proben bestehen zum Großteil aus Warterei. Ach ja, Katie.
„Ein paar Minuten brauche ich noch, einverstanden?“
Er nickte und versprach zu warten.
Ich schlängelte mich durch die Menge der Volksmusikmenschen, Jodlerinnen, Produzenten, Manager, Promis, Adabeis und Medienleute. Katie war leicht zu finden. Dort, wo sie war, war eine Kamera, und dort war daher auch das Gedränge am größten.
„Ich brauche noch eine Stunde“, rief sie in mein Ohr.
„Ich haue ab.“
„Wir wollten doch etwas gemeinsam trinken.“
„Ich muss dringend Sushi essen gehen.“
„Wenn’s einen überkommt … wen hast du denn getroffen?“
„Ich kenne den Typen, aber ich weiß nicht woher. Von hier aus kannst du ihn nicht sehen. Er ist so ein
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