Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
wenig zu mögen wie Ausländer. Sein Rassismus beschränkte sich aber nicht auf Feindlichkeiten gegen Schwarze oder Osteuropäer. Einen Schweizer Gaststar hatte er einmal lauthals als Emmentalerloch beschimpft, Mitglieder von Oberkrainerpartien aus dem ehemaligen Jugoslawien bezeichnete er in Anspielung auf die in Österreich durchaus beliebten Krainer-Würste als „Würsteltschuschen“. Aber die Quoten seiner Sendungen waren großartig, also war auch er großartig. Oder zumindest unvermeidlich.
Hinter den Kulissen wurde es nun immer hektischer. Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brachten die weniger wichtigen Darsteller in die Maske, holten sie wieder ab, setzten sie in den gemeinsamen Aufenthaltsraum und standen die ganze Zeit über Funk mit irgendwelchen Kommandoeinheiten in Verbindung. In einigen Minuten sollte das Publikum eingelassen werden.
Eine Stunde bis zur Sendung. Es dauerte seine Zeit, bis die Zuschauer ihre Plätze eingenommen hatten und die ersten Instruktionen bekommen konnten. Ein Redakteur brachte die Gäste mit flachen Witzen zum Lachen, zerrte Joe noch ohne Sakko ins Scheinwerferlicht, erklärte, wann man klatschen sollte, was man tun durfte, wenn die Kamera auf einen gerichtet wurde. Erstaunlich, was sich die Fans alles gefallen ließen.
Noch eine halbe Stunde bis zur Sendung. Auf dem Weg zum Studio traf ich Joe. Er war bereits in voller Maske und hatte Jeans, ein weißes Hemd und eine rote Trachtenjacke mit einem Hirsch auf der rechten Brusttasche an. Der Hirsch war schlimm genug, schlimmer aber noch war die Veränderung seines Gesichts. Jede sympathische Lachfalte war zugeschminkt, die Haut von einem seltsam ungesunden Mittelbraun. Die Lippen leuchteten viel zu rosa, das blonde Haar glänzte vom Haarlack. Auch sein Lächeln wirkte ausgesprochen künstlich. Gleich würde er mich Mädel nennen und mir ein Autogramm geben. Joe Platt – zum Glück wusste niemand über die letzten Abende Bescheid.
Was ich fühlte, war anscheinend unübersehbar.
„Ich bin’s trotzdem“, grinste Joe. Ich war mir nicht ganz sicher. „Viel Glück!“, murmelte ich und wollte mich an ihm vorbeidrücken. Er hielt mich zurück, sah sich rasch um und gab mir einen Kuss. Er schmeckte nach Puder. Ich setzte an, um … aber da entdeckten ihn einige verirrte Gäste und baten entzückt um Autogramme. Ich winkte und verzog mich. Es wurde langsam Zeit, meinen Sitzplatz in der Nähe des Ausgangs einzunehmen.
Eine Viertelstunde vor Übertragungsbeginn. Alle Kameraleute standen bereit, Maskenbildnerinnen schminkten hier und dort nach, das Publikum rutschte unruhig auf den engen Plastikstühlen hin und her. Joe erschien auf der Bühne, seine Hirschenjacke lässig über die Schulter geworfen, ein Funkmikro in der Hand. Riesenapplaus.
„Die Liedln, die ihr heute hören werd’s, sind wirklich Superliedln. Wisst’s ihr eigentlich, wie viele Supersänger bei den Vorausscheidungen hinausfliegen? Sie alle wollen vor euch singen, auch vor dir, Mutti!“ Er ging nun auf eine dicke Sechzigjährige, eher schon eine Großmutti, zu und tätschelte ihr die Schulter. Ich hätte in den Boden versinken können. Die als Mutti angesprochene Frau aber strahlte.
„Ich weiß, dass wir heute eine Supersendung haben werden. Glaubt’s ihr das auch?“ Heftiges Klatschen war die Antwort. Meine Güte, dagegen waren ja Kasperlsendungen subtil.
Von meinem Platz aus konnte ich einen Regiemonitor sehen, auf dem die Zeit mitlief. Mehrere Millionen Menschen in Österreich, Deutschland und in der Schweiz würden die Show mitverfolgen. Und eine amerikanische Fernsehstation hatte die Super-Sommer-Hitparade für eine spätere Ausstrahlung eingekauft.
Auf der Bühne erzählte Joe gerade zur Einstimmung den Lieblingswitz des verflossenen Bundeskanzlers. „Wisst ihr, wie der geht?“ Das Publikum verneinte. Auf den Politikseiten hätten ihn alle lesen können, es hatte für einige Stürme in diversen Redaktionswassergläsern gesorgt, was er dem deutschen Kanzler beim Heurigen erzählt hatte.
„Also, der geht so: Ein Elefant und eine Maus versprechen einander, sich immer helfen zu wollen. Da fällt die kleine Maus in ein tiefes Loch. Der Elefant steckt sofort seinen Schwanz in das Loch und zieht die Maus damit heraus. Ein wenig später fällt der Elefant auch in ein Loch, natürlich in ein viel größeres, sonst wär es sich ja nicht ausgegangen“ – heftiges Zwischengelächter – „und jetzt will er von der Maus, dass sie ihn herauszieht.
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