Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
Holzton etwas ausgeprägt ist …“ Dem Wirtschaftsredakteur war es sichtlich peinlich, mich hergebeten zu haben. Er wechselte das Thema und sprach jetzt über die zunehmenden Verspätungen im Flugverkehr. Es geht nichts über breit gestreute Interessen. Österreichs Weintrinker mit ausreichend viel Geld lieben in Barrique ausgebaute Weine. Sie sind im Allgemeinen teuer, und da weiß man, dass man etwas Besonderes bekommt. Ich hatte schon öfter die Erfahrung gemacht, dass Geschmack und Geld wenig miteinander zu tun haben. Und so mancher angebliche Weinliebhaber kann Ribiselwein nicht von einem Bordeaux unterscheiden, wenn es nicht auf dem Etikett steht. Ewig schade.
Ich schlenderte über die sorgfältig gepflegte Wiese und ließ mich dann noch einmal mit dem Riesenrad über die Dächer von Wien heben. Von hier heroben war die Stadt wirklich schön. Blitzende Lichter, nächtlich-dunkle Hügel am Horizont, die hohen Bäume des Praters, eine Mischung aus moderner Metropole und romantischem Zauberort. Momentan schien ich ziemlich anfällig für Romantik. Wenn alles vorbei war, sollte ich mit Joe Riesenrad fahren und auf Wien schauen. Genau wie jetzt. Ich nahm mir mit Prosciutto umwickelte Grissini und schüttelte den Kopf. Da wären aber zu viele Leute, die Joe kannten. Einige Tage im Veneto würden sich eher anbieten. Gianni würde uns seine Spezialdrinks machen, am Abend würden wir an mittelalterlichen Häusern und Palästen vorbeispazieren und dann ausgiebig bei „Armando“ zu Abend essen.
Ich war wieder am Erdboden angekommen, stieg aus und stieß beinahe mit einer jungen Frau zusammen. Sie trug ein raffiniert geschnittenes schwarzes Schlauchkleid. Sie war äußerst schlank und hatte ihr langes blondes Haar wirkungsvoll nachlässig aufgesteckt. Sie schien mich zu kennen. Und sie bemerkte, dass ich sie nicht erkannte.
„Auf der Bühne sehe ich anders aus.“
Blond, zart, maximal zwanzig. Ich überlegte. Es war das jüngste der Frohsinn-Mädel. Sie war bei dem Interview im Kaffeehaus nicht dabei gewesen. Bei den Proben hatte sie zwar kein Dirndl, sondern Jeans angehabt, aber die Haare waren geflochten gewesen und in einem altmodischen Kranz um den Kopf gelegen.
„Sie sehen toll aus“, sagte ich.
„Gefällt mir auch besser so. Aber das andere gehört eben dazu zum Geschäft. Eigentlich hätte ich ja Schauspielerin werden wollen, aber mein Onkel ist der Manager der Truppe. Meine Mutter war eine Mitbegründerin, sie singt schon seit Jahren nicht mehr.“
„Sind Ihre … Kolleginnen auch hier?“
„Nein, nur ich. Mein Freund ist im Bankgeschäft.“
Sie sagte es mit einem Stolz in der Stimme, als sei er Nobelpreisträger.
„Ich habe mir nur schnell etwas zu essen holen wollen.“
Ich nickte.
„Finden Sie es nicht auch ganz arg, was bei uns los ist?“
Ja, ich fand es auch ganz arg, um bei ihrer Wortwahl zu bleiben. Ich wollte aber heute Abend endlich einmal nichts mit den mörderischen Volkstümlern zu tun haben.
„Glauben Sie auch, dass es Joe Platt war?“, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. Nichts wie weg.
„Ich glaube es eigentlich auch nicht. Dabei habe ich gehört, dass bei ihm daheim genau die gleiche Angelschnur gefunden worden ist, wie sie am Scheinwerfer gehangen hat.“
Das konnte nicht sein. „Von wem haben Sie das gehört?“, fragte ich scharf.
„Vom Regieassistenten. Er hat mich angerufen, weil wir eine Probe verschieben mussten, und da hat er gesagt, dass sie bei einer Hausdurchsuchung die Angelschnur gefunden haben.“
„Viele Menschen haben Angelschnüre.“
Sie zuckte wenig interessiert mit den Schultern. „Irgendwie gruselig, wenn er es wäre. Da arbeitet man mit einem, und er ist immer so freundlich und auch fesch. Ich meine, er ist schon ziemlich alt, aber …“
„Ich muss jetzt gehen.“
„Ich hätte Ihnen noch gerne …“
„Ein anderes Mal.“ Wenn ich weiter mit der Ziege sprach, würde ich für nichts garantieren können.
„Ich habe da etwas Seltsames gesehen, von dem ich einfach nicht weiß …“
„Wir reden darüber. Bei den Proben.“ Ich hätte ihr zuhören sollen.
Mir war es egal. Früher oder später würden die Kriminalisten ohnehin etwas über unsere Beziehung herausfinden. Ich lief in Richtung Praterstern, bis der Partylärm nachließ, überlegte mir einen unverbindlichen Beginn für den Fall, dass Joes Telefon abgehört wurde, holte das Handy aus der Tasche und wählte. Drei Mal ertönte das Freizeichen. Dann hob er ab.
„Hallo,
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