Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
reagieren. Ich könnte Chefinspektor Müller ein paar Sachen über Sie erzählen …“
Er sah sich gehetzt um. „Ich kann jetzt nicht, glauben Sie mir. Ich darf die Probe nicht verlassen.“
„Wann ist die nächste Pause?“
„Ich weiß nicht. In einer Stunde oder so.“
„Sofort bei Beginn der nächsten Pause sind Sie …“ Ja, wo? Wo konnten wir ungestört reden? „Kommen Sie in den Keller, dorthin, wo die alten Plakatständer stehen. Und wehe, Sie sagen zu irgendjemandem ein Wort davon!“
Er nickte. Er kannte den Keller also. Oder er wollte mich bloß abwimmeln. Ich würde Vesna brauchen, damit sie im Notfall zu Hilfe kam. Nicht, dass das Bürschchen gefährlich wirkte, aber sicher war sicher. Jetzt war ich am Zug.
Ich klopfte im Takt auf einen der alten Ständer. Ich wartete. Vesna hatte sich in der Abstellkammer versteckt. Mich fröstelte. Die Schritte des Regieassistenten waren schon im Gang der oberen Etage deutlich zu hören. Ohne zu zögern öffnete er die Tür zur Stiege und hastete herunter.
„Gut“, sagte ich anstelle einer Begrüßung.
„Ich habe nur ein paar Minuten Zeit. Und ich habe auf meinem Schreibtisch einen Zettel hinterlassen, auf dem steht, wo ich bin und mit wem ich mich treffe. Für alle Fälle.“
Ich sah ihn irritiert an. Spielte er Theater oder glaubte er tatsächlich, dass ich etwas mit den Morden zu tun hatte? Vielleicht gar nicht so schlecht. Vielleicht würde ihn die Angst davor zum Reden bringen. „Sie haben am späten Abend mit Ihren Verwandten vom Heurigen telefoniert. Am nächsten Tag, zeitig in der Früh, hat jemand, angeblich Susi Sommer, dem Chefinspektor erzählt, was Sie von Ihren Verwandten erfahren haben. Erzählen Sie – wie war das genau?“
Er räusperte sich. „Ich habe das zwischen Ihnen und Joe erfahren und … ich musste Susi Sommer anrufen, wegen einer Probenumstellung. Und während dieses Telefonats habe ich ihr davon erzählt.“
„Susi Sommer lebt bei ihren Eltern. Hat sie abgehoben? Mitten in der Nacht?“
„Sie arbeitet seit Jahren am Abend, als Künstlerin.“
Künstlerin, dass ich nicht lache.
„Sie ist es gewohnt, spät schlafen zu gehen.“
„Und sie hat dann beschlossen, die Polizei zu verständigen. Warum? Warum die Polizei?“
„Sie hat sich gefürchtet. Ihr Vater redet ständig davon, dass man bei uns seines Lebens nicht mehr sicher ist. Sie hat sich gefürchtet und es für ihre Pflicht gehalten anzurufen.“
„Und warum haben nicht Sie die Polizei angerufen?“
„Ich hätte angerufen, aber Susi ist schneller gewesen.“
„Warum soll sie sich gefürchtet haben? Die kleine Sommer hat gute Nerven. Das hat sie immer wieder bewiesen. Und ich habe noch nie festgestellt, dass sie auf ihren Vater hört.“
„Ihr Vater ist ein Tyrann.“ Das kam mit tiefster Empörung.
„Aber sie hört nicht auf ihn.“
„Sie ist wirklich alt genug, um selbst zu wissen, was sie tut.“
„Hören Sie!“, zischte ich und packte den Regieassistenten an seinem Super-Sommer-Hitparaden-Leibchen. „Ich glaube Ihnen kein Wort. Es hat sich jemand als Susi Sommer ausgegeben und Müller angerufen. Weil dieser jemand mich loshaben wollte. Weil ich an der Mordgeschichte zu nahe dran bin.“
Er riss die Augen weit auf und machte keinen Versuch, sich zu befreien. „Nein“, sagte er, „so war es nicht.“
„Sie stecken mit drinnen. Ist es das? Sie hatten genug Gelegenheiten. Noch ist nicht aufgefallen, wie seltsam es ist, dass Sie gegen Mitternacht von unserem Ausflug hören und bereits in der Früh, vor allen Proben, der Chefinspektor davon weiß.“
Er begann etwas zu zittern. Er war auch für diesen Keller viel zu kühl angezogen. Ich hatte mir Joes Jeanshemd ausgeborgt und es über mein T-Shirt gezogen. „Ich lasse Sie nicht weg, bis Sie mir nicht die ganze Wahrheit gesagt haben.“
„Das ist die Wahrheit!“, schrie er beinahe.
Meine Güte, er war noch so jung. Zwanzig, zweiundzwanzig. „Sie haben sich da in etwas hineinziehen lassen. Sie hätten die Geschichte wahrscheinlich herumerzählt. Aber Sie hätten nicht die Polizei verständigt. Warum auch? Außer Sie haben einen Grund, mich zu denunzieren.“
„Es ist ja wahr, dass Sie und Joe …“
Ich ließ mich nicht mehr stoppen. Jetzt oder nie. „Sie wollten mich von der Produktion entfernen. Oder haben Sie den Auftrag bekommen, den Verdacht auf Joe und mich zu lenken? Wer hat die Sicherheitsdirektion angerufen?“
„Susi, das habe ich doch schon gesagt, sie hat angerufen.
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