Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
vorstellen, was passiert, wenn bekannt wird, dass der Regieassistent den Kinderstar verführt hat? Da kann Sie niemand schützen, nicht einmal Ihr Vater.“
„Ich habe sie nicht verführt“, schrie er, „und mein Vater hat mich nie beschützt!“ Sein verzweifelter Blick ließ mich beinahe Mitleid empfinden.
„Ach, dann war sie wohl die treibende Kraft?“
Er nickte. „Sie hat es mir erlaubt. Sie hat mich in ihre Garderobe geholt und hat es mir erlaubt. Immer mehr. Damit ich weiß, dass sie mich liebt. Zuerst …“
„Keine Details!“ Das hätte mir gerade noch gefehlt. „Hauen Sie ab!“
Er flüchtete nach oben und schlug die Tür zu. Ich lehnte mich gegen die graue Betonwand. Ich musste nachdenken.
„Oj“, sagte Vesna. Auf Vesna hatte ich ganz vergessen. „Da haben wir kleine Sommer nur nach Größe eingeschätzt, Mira Valensky.“
Ich nickte. Die Kameraleute nannten sie spöttisch „Engelchen“, der eine Tontechniker hatte sie als „das tückische Kind“ bezeichnet. Tückisch schien zu stimmen, aber sie war kein Kind mehr. Jedenfalls verstand sie sich selbst nicht mehr als Kind. Mit fast fünfzehn versteht sich kein junges Mädchen so. Ihre Rolle auf der Bühne war die eines Kindes mit blonden Zöpfen, blauen Augen und glockenheller Stimme. Wir alle hatten uns davon täuschen lassen.
„Ich glaube dem Mann“, sagte Vesna, „nicht genug selbstbewusst, um Star ins Bett zu bringen, selbst wenn es Kinderstar ist.“
Warum nur hatte Susi Sommer Chefinspektor Müller informiert? Hatte sie wirklich Angst gehabt? War es reine Bösartigkeit gewesen? Hatte sie Müller schon öfter informiert? Ich versuchte mich zu erinnern. Es hatte schon einmal eine Situation gegeben, in der Müller etwas von einer zuverlässigen Quelle und Zeugenschutz geredet hatte. Die kleine, unschuldige Sommer hatte geplaudert. Ihr konnte man alles glauben, was hätte ein Kind auch schon für ein Interesse zu lügen? Ein aufgewecktes Kind, ein besonders guter Zeuge. Natürlich!
Der Streit zwischen Joe und Langthaler war nur ans Licht gekommen, weil ein Zeuge davon erzählt hatte. Der Zeuge hatte sie streiten gehört, wollte aber nicht gehört haben, dass Joe das Zimmer verlassen hatte, bevor der Scheinwerfer herunter gekracht war.
„Susi Sommer schnüffelt“, sagte Vesna. „Wenn ich Brote bringe, finde ich sie überall. In anderen Zimmern. Sie war auch in der Küche. Köchin ist ein Fan und macht ihr besondere Sachen.“
„Ja, das kann stimmen. Susi ist damals auch im Zimmer der Produktionsassistentin gewesen und hat das Bild von Downhill-Sepp betrachtet. Sie sieht eine ganze Menge. Die Frage ist nur, ob sie weiß, was sie sieht. Und wem sie es weitererzählt.“
Vesna stand auf einen Besen gestützt da und schüttelte den Kopf. „Der Assistent hat gesagt, er erzählt ihr alles, sie erzählt ihm nicht alles.“
„Wenn ich Recht habe, dann ist Susi Sommer in großer Gefahr.“
Vesna nickte. „Sie hat viel getäuscht.“
„Und sie wurde vom Mörder geschickt eingesetzt. Wir müssen herausbekommen, wem sie die Geschichte von mir und Joe noch erzählt hat.“
„Andere Liebhaber?“
Ich schüttelte zweifelnd den Kopf. „ Kann ich mir nicht vorstellen. Und wir müssen herausbekommen, ob es Susi Sommer war, die den Chefinspektor schon damals beim Mord an Langthaler informiert hat.“
„Polizist wird das nicht sagen.“
„Droch kann das herausfinden.“
Ich durfte jetzt keine Zeit verlieren. Die Sicherheitsvorkehrungen für die Show waren deutlich intensiviert worden. Auch Susis Schaukelfahrt würde vorher getestet werden. Aber alles ließ sich bei einer solchen Produktion nicht kontrollieren. Schon gar nicht, wenn der Mörder aus den eigenen Reihen kam. Susi Sommer brauchte besonderen Schutz. Mit wem sollte ich darüber reden? Mit der Intendantin? Ich war froh, solange sie nicht an mich dachte. Dem Regisseur? Ich kannte ihn kaum. Joe? Er schien Susi Sommer ganz gern zu mögen, zumindest war er einer der wenigen, die sie anders behandelten als ein lästiges, aber unvermeidbares Requisit. Joe. Natürlich.
[ 13. ]
Die kleine Sommer bekam einen eigenen Security-Mann beigestellt, der am Rand der Bühne wartete, während die zweite Produktionsassistentin mit ihr noch einmal die Auftrittspositionen übte. Der Tod des Frohsinn-Mädels hatte viel der üblichen Probezeit gekostet. Ich saß an einem der unzähligen leeren, mit rot-weiß-karierten Tischtüchern gedeckten Tische im Zuschauerraum und betrachtete Susi
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