Ausgejodelt: Mira Valensky ermittelt in Wien: Ein Mira-Valensky-Krimi
Ich habe nichts davon gewusst.“
„Wem haben Sie von der Geschichte erzählt?“
„Susi, nur Susi.“
„Und ich soll Ihnen glauben, dass Sie die kleine Sommer gegen Mitternacht angerufen haben, bloß weil Sie von irgendeinem Verwandten gehört haben, dass Joe mit mir gesehen wurde? Unsinn.“
„Lassen Sie mich los!“ Er schlug meine Hand, mit der ich ihn am T-Shirt gehalten hatte, weg und taumelte einige Schritte zurück.
„Nicht weiter!“, warnte ich ihn.
„Ich …“, begann er. Jetzt zitterte er augenscheinlich. Gut so.
„Ich habe mit ihr telefoniert. Woher hätte sie es sonst wissen sollen?“
„Es gab kein Telefongespräch.“
Ihm blieb der Mund offen. Bluffen. Das hatte auch bei der Intendantin funktioniert.
„Woher soll sie es sonst gewusst haben?“, fragte er langsam.
„Vielleicht hat sie es gar nicht gewusst? Vielleicht hat jemand anderer Chefinspektor Müller angerufen? Noch einmal: Es gab dieses Telefongespräch nicht. Sie behaupten, es habe dieses Telefongespräch gegeben. Was sollten Sie ihr ausrichten? Worum ging es denn in diesem angeblichen Telefongespräch?“
„Ich sollte ihr ausrichten, dass … dass sie ein anderes Kostüm bekommt.“
„Unsinn! Sie hat heute das Kostüm an, das seit Wochen im Skript steht. Rosa Kleid, rosa Rosen, rosa Schaukel.“
„Ein anderer Schnitt.“
„Du liebe Güte. Also: Wenn Sie jetzt nicht mit der vollen Wahrheit herausrücken, dann sehe ich mich gezwungen, Chefinspektor Müller alles zu erzählen, was ich schon weiß. Und diese angebliche Telefonangelegenheit wird seinen Verdacht erhärten, dass Sie mit den Morden zu tun haben.“ Schön langsam glaubte ich selbst daran. Ich hatte mich in Rage geredet. Dabei konnte ich mir schwer vorstellen, dass dieses schmächtige und eilfertige Bürschchen Scheinwerfer niedersausen ließ oder junge Frauen vom Schnürboden stürzte. Kraft war allerdings dafür nicht nötig. Nur ein guter Plan. Und viel Glück. Er wirkte mir weder besonders raffiniert noch besonders vom Glück verfolgt. Sein Vater saß im Aufsichtsrat einer großen Sponsorfirma, hatte ich gehört. Regieassistenz klang wichtig, in einem so großen Stab konnte das allerdings auch eine ganz unwichtige Funktion sein. Die Arbeit machten die Produktionsassistentinnen, er war ein besserer Laufbursche. Zumindest hatte ich seine Aufgabe in den letzten Wochen so erlebt.
Er schwieg und starrte ins Leere. Er schien krampfhaft zu überlegen, wieviel ich wusste.
„Sagen Sie es!“, herrschte ich ihn an. Ich hatte gar nicht gewusst, dass ich solche Töne draufhatte. Aber die Nähe zum Kühlkeller trug wohl dazu bei.
Ein tiefer Seufzer. „Ich kann nicht. Ich habe es versprochen.“
„Sie lassen sich lieber in die ganze Sache mit hineinziehen? Wenn Sie es mir erzählen, kann ich dafür sorgen, dass Sie nicht zu Unrecht mit den Morden in Verbindung gebracht werden. Ich kann schreiben, dass Sie nichts davon gewusst haben. Wenn es die Wahrheit ist. Aber dazu muss ich die Wahrheit erst einmal kennen.“
„Es hat doch nichts mit den Morden zu tun!“, rief er gequält.
„Es gab keinen Anruf. Ist das richtig?“
Er nickte und sah zu Boden. Weit weg hörte ich das Scheppern der Klingel. Die Pause war vorbei. Der Regieassistent sah nach oben. „Ich muss gehen.“
„Nicht, bevor Sie alles erzählt haben.“ Ich versuchte, ganz ruhig zu klingen. „Es ist besser für Sie, glauben Sie mir. Und es ist vielleicht auch besser für die Person, die Sie decken. Was also ist passiert, nachdem Sie von unserem Ausflug zum Heurigen erfahren haben?“
Er starrte auf die vergilbten Plakate, die einen gewissen Magic Manuel ankündigten.
„Ich …“, begann er und räusperte sich. „Ich war bei Susi. Sie hat mit allem nichts zu tun.“
„Lassen Sie die Kleine aus dem Spiel! Sie werden bei ihr gewesen sein. Um Mitternacht. Oder in der Morgendämmerung. Halten Sie mich wirklich für so dumm?“
„Sie ist kein Kind mehr. Sie ist fünfzehn … oder zumindest fast.“
„Gut, sie ist fünfzehn. Was haben Sie bei ihr gemacht?“
„Was macht man in der Nacht?“
Ich stutzte.
Er sah mich trotzig an. „Sie ist meine Geliebte.“
Das Kind mit den blonden Zöpfen und ihren Papa-Liedchen?
„Wenn ihr Vater nicht so ein Tyrann wäre, wüssten schon alle davon. Susi will, dass wir gemeinsam auftreten. Sie hat gesagt, wir machen das Duo Heimo und Susi. Ich kann singen, wirklich. Und wir machen es wie die Coolen Kerle. Witzige Texte, nicht den alten Scheiß.
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