Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
beschwört uns, vorsichtig zu sein. Wie hätte man gegenüber einer unvermittelt durchs Fenster fliegenden Wassermelone vorsichtig sein können?
Vor dem Fenster führt die Ortsstraße vorbei. Kein Problem, kurz abzubremsen, auszusteigen und eine Melone zu werfen. Vorausgesetzt, man hat eine Menge Kraft. Vis-a-vis liegt nur ein Garten, das dazugehörige Haus steht mindestens dreißig Meter von der Straße entfernt.
Wir setzen uns an einen Tisch im Schankraum, und Billy Winter bringt Schnaps. Ich frage sie, ob es nicht an der Zeit sei, die Polizei einzuschalten.
»Damit die Medien auch noch von dieser Aktion Wind bekommen?« Sie schüttelt den Kopf.
Ich mache mir Sorgen. Das war mehr als ein böser Streich. Wer das getan hat, nimmt in Kauf, Menschen zu verletzen, vielleicht sogar zu töten. Aber darüber sage ich nichts, es würde Billy Winter nicht helfen.
3.
Vesna hat keine Lust, als Abwäscherin einzuspringen. Ich kann es ihr nicht verdenken, stundenlang Teller, Töpfe und Besteck zu waschen ist kein Traumjob. Mich interessieren Küchen und Restaurants wenigstens im Prinzip, Vesna hat dazu keine besondere Beziehung.
»Ein paar Streiche wird dieser Billy aushalten«, meint sie herzlos.
»Diese Billy. Eine Frau.«
»Auch recht.«
Schade, es wäre so einfach gewesen. Billy Winters Abwäscherin ist krank, Vesna springt ein und schaut, was in dem Lokal tatsächlich läuft. Ihr hätte ich zugetraut herauszufinden, wer hinter den Attentaten steckt. Ich schaue wohl etwas gekränkt drein, denn Vesna, die körperliche Vertraulichkeit überhaupt nicht mag, nimmt mich am Arm.
»Nicht böse sein, Mira Valensky, aber das ist nix für mich. Ich habe Arbeit mehr als genug.«
Einmal versuche ich es noch. »Man könnte klären, wer die Melone geworfen hat, Salz und Zucker vermischt hat, die Kühlleitungen …«
»Wenn ich bei Steuerberater nicht aufpasse, bin ich Arbeit los.«
»Probleme?«, frage ich.
Vesna nickt.
Ich mache mir viel zu wenig Gedanken darüber, wie es Vesna geht. Sie wirkt so kompetent und positiv und aktiv.
»Seine Sekretärin will Putzjob an eine Leihfirma geben. Habe ich sie gefragt, ob sie mit mir nicht zufrieden ist, hat sie gesagt, da ist keine Sicherheit. Weil klar putze ich nur schwarz, ich habe keine Arbeitserlaubnis. Trotzdem: Ich bin immer verlässlich. Immer da.«
»Du solltest sehen, dass du zu einer Arbeitserlaubnis kommst.«
Vesna lacht spöttisch. »Habe ich probiert, aber bin ich nur Familiennachzug vom Mann. Mit dem bin ich nicht richtig verheiratet, du weißt. Ich stehe auf Liste wegen Arbeitserlaubnis, aber die Liste ist lang. Klar finde ich andere Kunden. Aber Arbeit bei Steuerberater ist angenehm.«
»Vielleicht wäre es im Gastgewerbe leichter?«
»Glaubst du nicht im Ernst. Nicht als Abwäscherin, da gibt es viele ohne Arbeit, die das tun können. Braucht man Ausländerin nicht neue Arbeitserlaubnis geben.«
Es ist ein deprimierender Sommertag, der Himmel grau, Nordostwind, Höchsttemperatur zwanzig Grad, Vesna hat Probleme mit ihrer Arbeit, Billy Winter wird sabotiert, selbst Gismo hockt griesgrämig auf dem Küchensessel und lässt niemanden an sich heran. Mir graut vor der Redaktion. Ich sollte zurück ins Bett und erst wieder aufstehen, wenn die Sonne scheint. Stattdessen krame ich nach meinem Regenschirm, nehme die blaue Windjacke vom Garderobenständer, hänge meine große Tasche um und öffne die Wohnungstür.
»Jetzt bist du sauer, Mira Valensky«, konstatiert Vesna.
»Nein, nur irgendwie …«
»Man sollte Urlaub machen.«
Vesna hat Recht. Urlaub. Irgendwo in der Sonne. Ich lächle bei dem Gedanken.
»Schon besser«, lächelt Vesna zurück.
Das Telefon läutet. Ein weiterer Vorwand, um später in die Redaktion zu kommen. Billy Winter ist am Apparat.
»Tut mir Leid, dass ich störe. Aber … Ich weiß nicht, wohin ich …«
»Ist wieder etwas passiert? Ist jemand verletzt?«
»Nein, so kann man das nicht sagen … Es ist nur so … Mein Koch ist verschwunden.«
»Verschwunden? Wie?«
»Wir fangen um neun Uhr an.«
Ich sehe auf die Uhr, es ist schon halb elf. Üblicherweise bin ich ab zehn in der Redaktion. Schon egal.
»Er ist immer pünktlich, sehr verlässlich, auch ein Grund, warum ich ihn schätze. Als er eine halbe Stunde überfällig war, hab ich in der Pension angerufen, in der er sein Zimmer hat. Seine Vermieterin hat nur gehört, dass in der Nacht ein Auto weggefahren ist. Offenbar sein Auto. Denn in der Früh ist es nicht mehr vorm Haus
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