Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
abgesäbelt. Jetzt hängen mir meine langen, dicken Haare schon wieder ein schönes Stück über die Schultern.
»Sie sollten überlegen, ihre Haare etwas kürzer zu tragen. In Ihrem …«
»In meinem Alter?«
»Na ja, es macht jünger.«
Offenbar habe ich doch eine Menge Abenteuerlust in mir, ich lasse mich überreden und gehe mit ihr in den Frisierladen. Außerdem: Meine Haare wachsen schnell. Und vielleicht kann ich nebenbei doch noch etwas über den Verbleib von Peppi erfahren.
Zwei Stunden später bin ich um fünfzig Euro und viele Haare ärmer, aber was den Koch angeht, um nichts gescheiter. Die Frisur ist ungewohnt, doch gar nicht so schlimm wie vermutet. Ein ganz glatter Schnitt, vorne etwas fransig, fast wie bei der einen Lady mit dem blasierten Gesicht in der Auslage.
Ich fahre zurück ins Wirtshaus und male mir aus, dass Peppi in der Küche steht, als ob nichts gewesen wäre. Stattdessen ist Billy Winter schon ziemlich aufgelöst. Während ich berichte, seiht sie einen riesigen Topf Suppe ab, rührt in einem kleineren mit köstlich duftenden Beeren, gibt Mahmet Anweisung, endlich den Salat zu schleudern, und ihrem Lehrling den Befehl, die Karotten in feinere Scheiben zu schneiden, aber flott.
»Die Zeit rennt mir davon«, jammert sie, »und immer, wenn ich ihn besonders brauche, ist mein Lehrling extra langsam.«
»Zu viel Druck lähmt manche«, meine ich weise.
Sie sieht mich verärgert an. »Ohne Druck geht gar nichts.« Widerspruch mag sie nicht, die kleine Wirtin. Was zum Teufel noch einmal mache ich hier?
Plötzlich lächelt sie. »Entschuldigung. Ich bin manchmal unmöglich, wenn ich im Stress bin. Wollen Sie etwas trinken?«
Ich schüttle den Kopf, will sie nicht aufhalten. »Ich werde mich in der Nachbarschaft umhören, wenn ich schon einmal da bin.«
»Von denen werden Sie nicht viel erfahren.«
»Kann ich mir Onkel Franz ausborgen?«
Sie sieht mich mit ihren wachen Augen gerade an. »Ja, das ist eine gute Idee.«
Onkel Franz kennen natürlich alle im Ort, die wenigsten freilich scheinen zu verstehen, warum ein zweiundachtzigjähriger Mann noch als Kellner in einem Wirtshaus arbeiten will. Passive Feindseligkeit gegenüber der neuen Besitzerin des Apfelbaums. Besonders deutlich wird sie bei der Nachbarin, der das Grundstück via-a-vis an der Straße gehört. Sie trägt eine jener Kleiderschürzen, die man sonst nur mehr in Heimatfilmen sieht. »Der Franz passt nicht in so ein Schickimickilokal. Die Tante hätte sicher auch nicht gewollt, dass so was daraus wird.«
»Was?«, frage ich nach.
»Na so was eben. Nichts für uns.«
Onkel Franz ist das sichtlich peinlich, er geht in Verteidigungsposition. »Maria, da kann ein jeder reingehen, es schaut sogar aus wie früher in der Schank, nur ein bissel gepflegter. Wäre ich dort, wenn’s anders wär?«
Maria mit der Kleiderschürze sieht Onkel Franz mitleidig an. »Man sagt, Manningers Tante, die Frau Apfelbaum, hat dir keine Pension eingezahlt, dass du jetzt noch arbeiten musst.«
»So ein Unsinn. Ich kann dir meine Pension zeigen. Ich arbeite gerne. Ich hab für den Manninger gerne gearbeitet, das ist ein ganz Großer, ein echtes Kochgenie, aber davon versteht’s ihr halt nichts, und ich arbeite für meine neue Chefin auch gern, die ist eben noch sehr jung, aber gut. Das sag ich dir. Die kann kochen!«
»Ich weiß, was ich weiß. Kein Wunder, dass der Koch verschwunden ist.« Das Gesicht der Frau sieht dabei aus, als hätte sie weder Augen noch Nase, noch Mund. Glatt polierte Oberfläche, daran können auch die Falten nichts ändern. »Gesehen hab ich gar nichts. Mein Haus steht mitten im Garten, da sieht man nicht auf die Straße.«
Zu den hinteren Nachbarn will Onkel Franz mit mir nicht gehen. Das sind »zugereiste Wiener«, gibt er zu bedenken, außerdem ärgern sie die Chefin ständig mit neuen Beschwerden über angeblichen Lärm. »Dabei sind wir leise, sehr leise.«
Es gibt natürlich auch Ortsbewohner, die den Apfelbaum freundlicher sehen. Das Ehepaar, das einige Häuser den Berg hinauf wohnt, kommt hin und wieder auf ein Viertel Wein und Sonntagmittag auch zum Essen. Die Frau macht sich über das Verschwinden des Kochs beinahe ebensolche Sorgen wie wir.
Im Schankraum lasse ich mir die Gespräche der letzten Stunden noch einmal durch den Kopf gehen. Was, wenn sich einfach ein paar bösartige Dorfbewohner zusammengetan haben, um Billy Winter hinauszuekeln? Auch die Friseurin hat so gewirkt, als wüsste sie mehr. Ein
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