Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
unternehmen soll, als Onkel Franz auftaucht und uns weiterhelfen kann. Immerhin stammt er aus dem Ort, seine Cousine weiß, wer Peppis Freundin ist und wo man sie finden kann.
Billy Winter verschwindet wieder in die Küche. Ausgerechnet heute Abend gibt es viele Reservierungen. Sie weiß nicht, ob sie darüber im gegebenen Fall glücklich oder unglücklich sein soll.
Ich fahre in die nächste Stadt, die Bezeichnung scheint mir etwas übertrieben, es handelt sich um einen Ort mit dreizehntausend Einwohnern, und suche den Coiffeur Strasser. Er liegt an der Hauptstraße und ist leicht zu finden. Drei Auslagenscheiben mit den unvermeidlichen Fotos von blasiert dreinblickenden Frisurenmodels, windzerzaust, wild gestylt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Huber von nebenan eine solche Frisur ordert. Vielleicht in irgendeinem kühnen Traum, aber nie in der etwas engeren Weinviertler Realität. Ich öffne die Tür, und eine wenig melodische Klingel ertönt. Dabei ist der Salon ohnehin nicht so groß, dass man eine neue Besucherin übersehen könnte. Eine ziemlich pummelige Friseurin mit einem einfachen braunen Pferdeschwanz fragt nach meinen Wünschen.
»Kann ich Evi Jakobs sprechen?«
Sie wird ein klein wenig rot. »Das bin ich. Was ist los?«
Ich sehe mich um. Allzu viel spielt sich im Laden nicht ab. Zwei reifere Damen sitzen unter der Trockenhaube, die drei anderen Frisierplätze sind frei. »Haben Sie kurz Zeit?«
»Sind Sie von der Polizei?«
Eine interessante Frage. »Wie kommen Sie darauf?«
»Na – wer kommt schon und fragt einen so etwas?«
»Haben Sie Grund, anzunehmen, dass die Polizei kommt?«
Sie sieht mich erstaunt an. »Nein, aber ich hab erst gestern einen Film gesehen, da ist die Polizei gekommen, weil der Mann verunglückt ist, und die Polizistin hat genau dasselbe … Ist jemandem etwas passiert?«
Nein, beruhige ich sie, nur reden möchte ich mit ihr. Sie geht mit mir auf die Straße und zündet sich eine Zigarette an. »Eine kurze Pause ist schon drin. Wir dürfen im Salon nicht rauchen.«
»Wann haben Sie Josef Dvorak zum letzten Mal gesehen?«
Jetzt wird sie noch röter. »Was wissen Sie von Peppi?«
»Wann?«
»Vorgestern … Eigentlich gestern, nach Mitternacht war es schon.«
»Von gestern auf heute?«
»Nein, einen Tag früher. Ich hab ein Haus, in dem ich mit meiner Großmutter wohne. Eigentlich ist es ihr Haus. Er ist nach der Arbeit noch vorbeigekommen. Aber ich bin einundzwanzig. Wen geht das was an?«
»Niemand«, beruhige ich sie. »Nur, dass Peppi heute in der Früh nicht zur Arbeit gekommen ist.«
Sie klopft gedankenverloren Asche auf den Gehsteig. »Nicht?«
»Er war immer pünktlich.«
»Ja, das ist er. Und verlässlich.«
»Wo kann er sein?«
»Ich weiß nicht.« Sie scheint sich wenig Sorgen um ihn zu machen.
»Hören Sie. In der letzten Zeit hat es ein paar unangenehme Zwischenfälle im Apfelbaum gegeben. Die Wirtin macht sich Sorgen. Außerdem braucht sie ihren Koch.«
Die Friseurin Evi sieht mir wie eine Pokerspielerin ins Gesicht. Ausdruckslos. Full House oder zwei Zweier, niemand kann es ahnen.
»Vielleicht hat er überraschend heimfahren müssen.«
»Seine Mutter sagt Nein.«
»Kennen Sie seine Mutter?«
»Nein, Sie?«
»Er wollte mich demnächst einmal vorstellen.«
»Könnte er vor Ihnen davongelaufen sein?«
Sie schüttelt bestimmt den Kopf und drückt dann ihre Zigarette aus. »Kann ich mir nicht vorstellen, das sieht ihm nicht ähnlich. Der ist nicht wie die meisten Burschen.«
»Warum scheint es Ihnen dann ganz egal zu sein, dass er verschwunden ist?«
Die Friseurin schüttelt den Kopf. »Ist mir nicht egal, ich weiß nur nicht, wo er sein könnte. Er wird wiederkommen.«
»Sie verschweigen mir etwas.« Jetzt rede ich wie eine drittklassige Fernsehermittlerin. Aber das Gespräch vor dem Friseurladen irritiert mich ebenso wie die Passantinnen, die uns mit unverhohlener Neugier mustern. Eine Stadt? Ein Dorf. Keine Chance auf Anonymität. Aber darin liegt vielleicht auch eine Möglichkeit. Evi hat Freundinnen, da bin ich mir sicher. Vielleicht können die mir erzählen, was die Friseurin nicht sagen will. »Hat er vielleicht einen besseren Job gefunden?«
»Nein, da muss er sich ja abmelden und wieder anmelden, anders geht das nicht mit seiner Arbeitserlaubnis.« Plötzlich sieht sie mich aufmerksam an. »Sie könnten einen Haarschnitt vertragen.«
Das ist nicht ganz unrichtig. Die letzten beiden Male habe ich mir die Spitzen selbst
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